GK0074 - Die Insel der Skelette
an einer Eisenbahnlinie. Die Linie war stark befahren, es war nicht mehr weit bis zur Victoria Station, dem großen Londoner Bahnhof.
John Sinclair traf während der Dämmerung ein. Zuerst suchte er nach einem geeigneten Parkplatz für seinen Bentley. Er fand ihn zwischen zwei leerstehenden Holzbaracken, dicht an den vielen Gleisen.
John schob noch eine handliche Lampe in die rechte Tasche seines Trenchcoats und stieg dann aus.
Es war dunkel und diesig. Die Bogenlampen an den Gleisen waren oft nur als verwaschene Flecken zu erkennen.
Irgendwo pfiff eine Lokomotive. Dann ratterte ein Zug vorbei. Der Fahrtwind zerrte an Johns Haaren. Die Gleise und Signalanlagen glänzten naß.
Menschen konnte der Inspektor nicht sehen. Noch nicht einmal das nächste Stellwerk. So weit reichte die Sicht gar nicht.
John stemmte die Hände in die Seitentaschen seines Trenchs und näherte sich dem Park von der Ostseite.
Sträucher bildeten die Begrenzung zu den Bahnanlagen hin.
John Sinclair nahm beide Hände zu Hilfe und quälte sich durch das Gebüsch. Trotzdem konnte er nicht verhindern, daß die nassen Zweige sein Gesicht streiften. Einige schon welke Blätter blieben an seiner Haut kleben. John wischte sie ab.
Nach kurzer Zeit hatte er den Buschgürtel durchquert und sah vor sich ein Stück Rasen liegen, an das ein Weg grenzte.
John konnte alles nur deshalb erkennen, weil in der Nähe eine Laterne brannte. Sie schien die einzige im Park zu sein.
John überquerte den feuchten Rasen und blieb auf dem matschigen Weg einen Augenblick stehen.
Er mußte sich orientieren.
Wie gelangte er am besten zu dem Pavillon?
John entschied sich dafür, nach links zu gehen, weg von der Laterne.
Schon bald hatte die Dunkelheit den Inspektor verschluckt.
Wieder ratterte ein Zug an dem Park vorbei. Die Geräusche wurden zwar von den Büschen zum Teil gedämpft, hörten sich jedoch – in Verbindung mit der gesamten Atmosphäre des Parks – unheimlich an.
John blickte oft zurück, um nach eventuellen Verfolgern Ausschau zu halten, doch nichts war zu erkennen. Nur die Dunkelheit, die wie Watte über dem Park lag.
Der Nieselregen tropfte auf Johns imprägniertem Trench ab. Nur seine Haare waren schon naß.
Der Weg machte einen Knick, lief auf den Mittelpunkt des Parkes zu.
John blickte auf die Uhr. Die Ziffern leuchteten grün in der Dunkelheit.
Sieben Minuten war er unterwegs. Er zündete sich eine Zigarette an, rauchte sie aber in der hohlen Hand.
Der Weg wurde etwas breiter und endete in einem kleinen Rondell.
Und genau dort stand der Pavillon.
John sah ihn nur als dunklen Umriß. Vorsichtig näherte er sich dem Gebäude.
Ob die anderen schon da waren?
Eigentlich unwahrscheinlich. Er hätte bestimmt etwas gehört.
Trotzdem…
Der Pavillon war in Form eines Sechsecks gebaut und bestand aus dicken Steinquadern.
John holte seine Taschenlampe hervor und ließ sie kurz aufblitzen.
Er erkannte – von ihm aus gesehen an der Vorderseite – eine Tür. John trat näher und leuchtete sie an.
Die Tür bestand aus massivem Holz.
Anstelle einer Klinke besaß sie einen Knauf, der metallisch glänzte.
John drehte vorsichtshalber daran.
Der Knauf ließ sich nicht bewegen. Damit hatte John auch gerechnet. Immer mehr kam der Inspektor zu der Überzeugung, daß er sich genau an dem richtigen Pavillon befand.
Der Pavillon, die verlassene Gegend, die verschlossene Tür – alles paßte wunderbar zusammen.
Inspektor Sinclair schlug sich seitwärts in die an die Mauern angrenzenden Büsche.
Jetzt hieß es warten.
Nur langsam verging die Zeit. John wagte es nicht, sich eine zweite Zigarette anzuzünden. Zu leicht hätte man ihn bemerken können.
An das Rattern der vorbeifahrenden Züge hatte er sich längst gewöhnt. So gut sogar, daß er auch andere Geräusche unterscheiden konnte.
Wie das Brummen eines Automotors.
Johns Haltung straffte sich. Er zog sich tiefer in das Gebüsch zurück.
Sollte es soweit sein?
Das Brummen wurde lauter.
Scheinwerfer blitzten auf, strichen für Bruchteile von Sekunden über die Büsche und die Mauern des Pavillons. Dann waren sie nicht mehr zu sehen.
War der Wagen vorbeigefahren?
Nein. John hörte schon das Schmatzen der Reifen auf dem schlammigen Boden.
Die Kühlerschnauze eines Austin geriet in sein Blickfeld. Der Wagen fuhr ohne Licht, wurde an dem Pavillon vorbeigelenkt und stoppte vor einem Gebüsch.
Das Motorengeräusch erstarb. Der Austin federte noch einmal nach. Eine Tür klappte.
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