GK0098 - Bruderschaft des Satans
blinzelte erstaunt und reckte sich. Dann setzte er sich auf.
John grinste ihn von der Seite her an. »Ausgeschlafen, Pierre?«
»Abgebrochen.«
Die beiden Männer waren in der Anrede zu den unkonventionelleren Vornamen übergegangen. John war der Meinung, daß ein gemeinsames Ziel sie stark verband.
Die Abfahrt nach Newcastle tauchte auf.
»Hier müssen wir runter«, sagte John, der sich die Strecke auf der Karte vorher angesehen hatte.
Sie kamen an eine Kreuzung.
Lilingtown – 25 miles stand auf einem Schild.
»Das ist schnell geschafft«, meinte John und zog den Wagen nach links.
Die Straße war relativ gut ausgebaut. Ab und zu fuhren sie durch kleinere Ortschaften, deren Aussehen typisch für dieses Gebiet war. Sie lagen zumeist dicht im Schatten großer Fördertürme, ein Wahrzeichen des nordöstlichen Englands.
Die Luft war dunstig, und die Sonnenstrahlen drangen nur gefiltert auf die Erde.
Bald tauchte Lilingtown auf. Es war eine Kreisstadt, direkt im Kohlengebiet. Etwa fünftausend Menschen wohnten hier, und es gab kaum eine Familie, die nicht irgendwie mit der Kohle oder ihrer Aufbereitung zu tun hatte.
Sie passierten die tristen Vorortsiedlungen und kamen dann in das Zentrum.
Es gab einen Marktplatz, um den sich zahlreiche Geschäfte gruppierten. Auch das Rathaus befand sich in der Nähe. Es lag in einer Seitenstraße.
Hier wollten John und Pierre hin.
Einen Parkplatz fanden sie auf Anhieb. Die Männer reckten sich ausgiebig, bevor sie durch die spitzbogige Tür schritten. Sie hatten Glück, denn es war kurz vor Feierabend. John hatte schon befürchtet, es nicht mehr rechtzeitig zu schaffen.
Der Auskunftsbeamte wurde direkt freundlich, als ihm John seine Legitimation präsentierte.
Er fragte nach den Wünschen des Inspektors.
John wollte einen Kulturbeamten der Stadt sprechen.
Das Gesicht des Auskunftsknaben hellte sich auf. »Sie haben Glück, Sir. Mr. Crawford befindet sich noch im Hause. Aber ob er Sie um diese Zeit noch empfängt?«
»Versuchen Sie es wenigstens.«
Der Knabe rief an und vollführte einige Verbeugungen, während er mit dem zuständigen Beamten sprach.
Dann durften John und Pierre hinaufgehen.
»So muffig riecht es bei uns aber nicht«, meinte Pierre und verzog das Gesicht, weil ihm der Bohnerwachsgeruch in die Nase gestiegen war.
John zuckte mit den Schultern. »Man gewöhnt sich an alles.«
In Mr. Crawfords Vorzimmer wurden sie von einem spitznasigen und blassen Assistenten empfangen, dessen Stimme so leise war, daß man zweimal hinhören mußte, um sie überhaupt zu verstehen.
»Mr. Crawford erwartet Sie. Aber halten Sie ihn nicht zu lange auf. Mr. Crawford hat einen sehr schweren Tag hinter sich, und ich weiß nicht…«
John winkte ab. »Ja, ja, ich kenne mich da aus. Bin schließlich selbst Beamter.«
Der Bleiche überhörte den Spott und riß dienernd die Tür auf.
»Kommen Sie rein, Gentlemen«, sagte Crawford mit dröhnender Stimme.
Er war das krasse Gegenteil seines Assistenten. Massig, hemdsärmelig und direkt. Über seinem nicht unbeträchtlichen Bauch spannten sich zwei breite Hosenträger.
»Setzen Sie sich doch«, sagte Crawford und deutete auf eine kleine Sesselgruppe. »Was führt Sie zu mir?«
»Das ist mit wenigen Worten erklärt«, erwiderte John und erzählte von den Aufzeichnungen, die er und Pierre gelesen hatten.
Crawfords Gesicht wurde immer länger. Zum Schluß verschwand auch noch die gesunde Farbe darin und machte einer kalkigen Blässe Platz.
»Sie wollen zu der Kapelle?«
»Ist das so etwas Außergewöhnliches?«
»Das kann man wohl sagen.« Crawford wischte sich mit dem Tuch über die Stirn. »In der Kapelle spukt es. Das Ding ist verhext, verstehen Sie? Ich will Ihnen mal was sagen. Keiner der Leute hier traut sich in die Umgebung der Kapelle. Noch nicht einmal am Tage, und das soll was heißen. Außerdem sind die Bewohner alles andere als ängstlich, aber mit diesen übersinnlichen Sachen, da will keiner was zu tun haben. Und ich kann Ihnen nur den guten Rat geben, halten Sie sich von der Kapelle fern. Mehr brauche ich nicht zu sagen.«
John nickte. »Das ist ja alles schön und gut, daß Sie uns warnen. Aber von unserem Entschluß können Sie uns nicht abbringen. Deshalb möchte ich Sie bitten, uns den genauen Weg zu erklären.«
Crawford zögerte noch. Schließlich sagte er: »Gut, ich bin nicht für Sie verantwortlich. Aber eins sage ich Ihnen: Sprechen Sie mit niemandem darüber, daß Sie zu der Kapelle fahren
Weitere Kostenlose Bücher