GK0141 - Irrfahrt ins Jenseits
noch einmal aufmunternd zu und ging dann aus dem Haus.
Mary O’Shea hatte dem Oberinspektor den Weg beschrieben, den die Kutsche nehmen mußte.
John setzte sich augenblicklich in Bewegung. Mit schnellen Schritten ging er durch den verlassenen, nachdunklen Ort. Alles war ruhig, und John spürte das Brennen seiner Narbe, das immer dann einsetzte, wenn Gefahr in der Luft lag.
John Sinclair hatte die letzten Häuser kaum hinter sich gelassen, da hörte er den Schrei.
Einen Atemzug lang blieb der Oberinspektor stehen, doch dann begann er zu rennen.
***
Noch zehn Yard – noch fünf Yard – dann.
Das Mädchen und die Frau standen immer noch wie angewachsen. Riesengroß wuchsen die Pferde vor ihnen auf. In der nächsten Sekunde mußten sie von den Hufen zerschmettert werden.
Doch im letzten Augenblick wurden die beiden pechschwarzen Höllenboten gezügelt.
Schrill wiehernd und fauchend stiegen sie mit den Vorderbeinen hoch. Die Hufe zuckten dicht vor Coras Gesicht, die Eisen funkelten im Mondlicht.
Ein höllisches Gelächter drang an die Ohren der beiden Menschen. Plötzlich schwang sich die Gestalt vom Bock der Kutsche. Die dunkle Kutte wehte, und dann fegte das Leder einer Peitsche durch die Luft.
Züngelnd ringelte sich die Schnur um Coras Hals.
Die Frau kam nicht einmal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen.
Innerhalb eines Atemzuges wurde ihr die Luft knapp. Sie riß beide Hände zum Hals hoch, wollte die Schnur lockern, doch ein kräftiger Ruck schleuderte Cora zu Boden.
Die Frau wand sich auf der Erde. Sie röchelte zum Steinerweichen. Doch der Unheimliche kannte kein Pardon.
Während Cora Benson mit dem Tode kämpfte, jagte das schaurige Gelächter des Unheimlichen wie der Grabgesang des Teufels durch die finstere Nacht.
Alice Paine hatte dem Schauspiel aus schreckgeweiteten Augen zugesehen. Sie bekam alles gar nicht richtig mit, es kam ihr vor wie ein böser Traum. Sie wunderte sich nur, daß die Frau nicht mehr aufstand, als die Peitschenschnur sich von ihrem Hals löste.
Da erst wurde dam Kind bewußt, daß es hier wegmußte. Alice warf sich auf der Stelle herum und nannte schreiend den Weg zurück.
Sie kam genau zehn Yard weit.
Etwas pfiff dicht über dem Boden durch die Luft, und dann ringelte die Schnur sich wie eine Schlange um ihre Waden.
Alice wurden die Beine unter dem Körper weggerissen.
Wie ein Brett fiel das Kind der Erde entgegen.
Zum Glück konnte Alice den Fall im letzten Moment mit den Ellenbogen etwas abfangen, und doch drang ihr der Aufprall durch Mark und Bein.
Alice Paine lag auf dem Bauch. Sie schmeckte den Dreck im Mund und fühlte, wie heiße Tränen an ihren Wangen entlangrannen.
Sie hörte den Gesichtslosen nicht kommen, er war plötzlich da und löste die Schnur von ihren Waden. Dann spürte Alice eine kalte Hand auf ihrer Schulter.
Ohne daß sie sich wehren konnte, wurde sie hochgezogen und herumgedreht.
Sie starrte den Gesichtslosen an, sah die leere Kapuze und hörte doch aus der Höhlung eine Stimme sprechen.
»Wie alt bist du?«
Alice schluchzte. »Neun Jahre«, sagte sie unter Tränen.
Der Gesichtslose lachte, und sein Griff, mit dem er Alice festhielt wurde stärker, schmerzhafter.
»Neun Jahre also. Noch ein Kind bist du. Schade, daß du schon sterben mußt, aber der Kelem freut sich über jedes Opfer.«
Alice Paine begriff die Worte gar nicht richtig. Und das war vielleicht gut so, denn wenn ihr die Tragweite voll zu Bewußtsein gekommen wäre, hätte sie unter Umständen durchgedreht.
Der Gesichtslose schob Alice auf die Kutsche zu. »Komm«, flüsterte er, »steig ein, mein Täubchen. Der Kelem wartet nicht gerne. Und es dürstet ihn nach deiner Lebenskraft.«
Alice spürte den Schmerz an ihren Waden, die Knie wurden weich, und wenn der Unheimliche sie nicht festgehalten hätte, wäre sie hingefallen.
Der Gesichtslose riß die Tür auf.
Ein seltsamer Geruch drang aus der Kutsche. Alice wußte nicht, wonach es roch, fürchtete sich aber instinktiv davor.
Der Gesichtslose drückte gegen ihre Schulter. »Steig schon ein«, sagte er.
Plötzlich begann das Kind zu schreien. »Nein, nein, ich will nicht. Ich…«
Der Gesichtslose hob sie kurzerhand hoch und stieß sie in die Kutsche hinein.
Dann knallte er die Tür zu.
Vergeblich versuchte Alice Paine die Tür von innen aufzubekommen. Sie trommelte mit beiden Fäusten gegen das Holz, aber auch das half nichts.
Der Gesichtslose lachte nur und schwang sich wieder auf den Bock.
Er wollte die
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