GK0144 - Die Todesgondel
seine Frau.
»Nein, nein, du kannst hier auf John warten.«
Bill lachte. »Um Himmels willen, da bin ich ja längst hinüber.«
Sheila tippte ihrem Mann auf die Brust. »Du sollst dich ja nicht betrinken.« Dann hauchte sie ihm einen Kuß auf die Wange und verschwand im Lift.
Bill schlenderte indessen zur Hotelbar. Es gab derer drei. Der Reporter suchte sich die kleinste aus. An der Rezeption hatte er hinterlassen, wo er zu erreichen war.
Der Raum war ziemlich klein, gut belüftet und hatte einen runden Tresen, an dem ein einzelner Gast saß und Zeitung las. Der Keeper gähnte hinter der hohlen Hand.
Bill nahm auf dem mit rotem Leder bespannten Sessel Platz und bestellte eine Flasche Bier.
Rot war die vorherrschende Farbe. Die Stühle waren rot gepolstert, und die Decken auf den kleinen Tischen von der gleichen Farbe. Die aus Messing bestehenden Stuhl- und Tischbeine glänzten im Licht der Spotlights.
Der Barkeeper stellte Flasche und Glas vor Bill auf den Tresen und schenkte ein.
Der Reporter nahm einen kräftigen Schluck. Es war deutsches Exportbier und schmeckte ihm ausgezeichnet.
Bill Conolly winkte den Barmenschen zu sich heran und bot ihm eine Zigarette an.
»Wollen Sie auch etwas trinken?« fragte der Reporter.
Der Keeper nahm einen Martini, trocken und eiskalt.
»Auf Ihr Wohl, Signor«, sagte er.
Die Männer tranken sich zu.
»Sind Sie aus Venedig?« begann Bill das Gespräch.
»Ja, Signor.«
»Dann haben Sie bestimmt schon mal etwas von den goldenen Masken oder dem Goldenen Löwen gehört?«
Das sonnenbraune Gesicht des Barmixers wurde blaß. Angst stahl sich in den Blick.
»Tut mir leid, Signor, aber ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
Bill lächelte. »Warum lügen Sie?«
Der Mixer hob die Schulter. »Ich kann Ihnen leider nicht helfen. Bitte, entschuldigen Sie mich, ich habe noch zu tun. Vielen Dank für den Martini.«
»Geschenkt.« Bill winkte ab.
Er ärgerte sich, aber es war genau das eingetroffen, was er vorausgeahnt und was ihm auch Commissario Tolini gesagt hatte. Die Leute hatten Angst. Die Macht des Goldenen Löwen machte vor niemandem halt. Dieser Geheimbund mußte seine Finger überall haben.
Nachdenklich zündete sich der Reporter eine Zigarette an. Er sah unüberwindbare Schwierigkeiten auf sich zukommen. Man konnte die Leute schließlich nicht zwingen, den Mund aufzumachen. Aber es mußte eine Möglichkeit geben, um das Versteck des Goldenen Löwen zu finden.
Der Mann, der mit Bill am Tresen gesessen hatte, faltete seine Zeitung zusammen, glitt vom Hocker und nickte Bill zu.
Der Reporter grüßte zurück. Aus den Augenwinkeln sah er, daß der Mann schlohweißes Haar hatte, ein markantes gebräuntes Gesicht und eine hervorspringende Nase, die wie ein Erker wirkte. Er trug einen taillierten hellen Blazeranzug und bewegte sich mit der lässigen Eleganz eines Weltmannes.
»Auf Widersehen, Signor Mandra«, sagte der Mixer und deutete eine Verbeugung an.
Bill trank sein Glas leer. Er überlegte, ob er sich noch eine neue Flasche bestellen sollte, wurde aber abgelenkt, da ein junger Mann die Bar betreten hatte, sich suchend umsah und dann etwas zögernd auf Bill Conolly zusteuerte.
Der Reporter drehte sich zur Seite.
Der Mann blieb neben Bill stehen und legte eine Hand auf den Tresen. »Sind Sie Mr. Conolly?« fragte er.
»Ja.«
»Commissario Tolini schickt mich. Mein Name ist Mario Stefani. Ich… ich…« Der junge Mann zögerte, bevor er weitersprach. Dann zog er scharf den Atem ein und sagte: »Ich war mit der Toten, die Sie gefunden haben, verlobt!«
***
Langsam teilten sich die beiden Hälften des schweren Tores und gaben eine dunkel gähnende Öffnung frei. Wellen schwappten gegen die Seitenbegrenzungen des Kanals, und ein Stück Treibholz, das auf der Oberfläche des Wassers schwamm, begann hin und her zu wippen.
Der Himmel war dunkel und von einem samtenen Blau. Ein paar Sterne blinkten. Sie wirkten verloren in der Weite des Firmaments. Selbst das Licht des Mondes hätte nicht ausgereicht, um die engen Gassen in der Altstadt von Venedig zu erhellen.
Still war es. Still und finster.
Die beiden Hälften des Tores hatten die für sie vorgesehenen Halterungen erreicht. Automatisch rastesten sie ein. Das Wasser kam langsam zur Ruhe.
Und dann glitt etwas Dunkles, Drohendes aus der Öffnung.
Die Todesgondel!
Sie schien auf den Wellen zu schweben. Kein Geräusch war zu hören, als der Gondoliere vom am Bug die Ruderstange in das Wasser tauchte.
Die Gondel
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