GK0144 - Die Todesgondel
sich die Hände.
»Falls er da noch wohnt«, schränkte Bill ein.
»Ach, diese Typen hier sind meistens sehr familiengebunden. Die ziehen so leicht nicht um. Nein, nein, wir werden Signor Ricci mal einen Besuch abstatten.«
»Vorher rufe ich allerdings John Sinclair an«, sagte der Reporter.
»Das können Sie gleich von hier aus machen«, sagte der Commissario. »Himmel, Signor Conolly, sollte es dieser verdammten Brut wirklich an den Kragen gehen… Ich darf nicht daran denken. Es wäre zu schön, um wahr zu sein.«
»Ich bin da optimistisch«, sagte Bill. »Wenn John Sinclair dabei ist, läuft die Sache. Bisher hat er noch jeden Fall aufgeklärt.«
»Venedig ist nicht London«, erwiderte der Commissario. »Und irgendwann muß jeder Polizist die erste Niederlage einstecken.«
Bill winkte erschrocken ab. »Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Commissario…«
***
Superintendent Powell hatte Geburtstag!
Sechzig Jahre alt war er geworden, und seit dreißig Jahren stand er in den Diensten von Scotland Yard. Er hatte sich von der Pike auf hochgearbeitet und war schließlich Leiter der Kommission für Sonderaufgaben geworden.
Powell war ein durch und durch integrer Mann, der nur seine Arbeit kannte und auch jedem Bestechungsversuch getrotzt hatte, im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen, gegen die jetzt ein Untersuchungsverfahren lief und deren Namen durch die Weltpresse gegangen war.
Powell war ein hervorragender Stratege und Planer. Sein Büro war die Schaltzentrale.
Ganz im Gegensatz dazu John Sinclair, Powells bester Mann. John war der Praktiker. Die beiden Männer ergänzten sich großartig, obwohl sie so unterschiedlich wie Hund und Katze waren.
John Sinclair – jüngster Oberinspektor bei Scotland Yard und fast dreißig Jahre jünger als Powell – war der geborene Kämpfer. Er wurde immer an die Front geschickt, und die Auflösungsquote seiner Fälle lag bei hundert Prozent. Sinclair schlug sich mit Geistern, Dämonen und anderen übersinnlichen Wesen herum, was ihm auch den Spitznamen Geisterjäger eingebracht hatte. Erst vor Tagen noch war John in Schottland gewesen und hatte dort ein unschuldiges Kind aus den Klauen eines Dämons befreit. Im Augenblick war er, was den praktischen Teil seiner Arbeit anging, arbeitslos und deshalb auch einer der ersten Gratulanten bei seinem Chef.
Unter der Hand hatte John einen kostbaren Degen ergattern können, den er Powell zum Geburtstag schenkte, da er wußte, daß sein Chef ein Liebhaber antiker Hieb- und Stichwaffen war.
Powell war ganz gerührt und bot Sinclair sogar einen Whisky an.
»Man dankt«, sagte der Oberinspektor und prostete seinem Chef zu. Der Whisky war ausgezeichnet.
»Und wann beginnt die offizielle Feier?« fragte John und hielt seine Nase an einen Strauß Flieder, den Powell von der Sekretärin erhalten hatte.
»In einer Stunde. Aber Sie sind doch auch dabei, John?«
»Nein, lieber nicht. Ich komme lieber heute abend zum gemütlichen Teil. Die anderen Kameraden sind mir zu steif.«
Powell blinzelte hinter seinen dicken Brillengläsern verschmitzt. »Kann ich Ihnen nicht verdenken.«
Ein Bote brachte ein Telegramm des stellvertretenden Innenministers.
Powell las gerührt die Zeilen, und John verabschiedete sich durch ein Kopfnicken.
In seinem Büro pflanzte er sich auf den Stuhl und legte die Beine auf den Schreibtisch. Dabei blätterte er interessiert in einem Magazin, das sich mit Okkultismus beschäftigte. Es war ein Blatt, das nur unter der Hand vertrieben wurde und sich ausführlich mit Satansmessen und deren Folgen befaßte. John hatte das Magazin auch nur durch Beziehungen bekommen. Er schrieb sich den Verleger aus dem Impressum heraus und nahm sich vor, dem Mann in den nächsten Tagen mal auf den Zahl zu fühlen.
Die folgenden Stunden verbrachte er mit Schreibarbeit und dem Diktieren eines Protokolls. Anschließend aß John in der Kantine zu Mittag. Danach stattete er der Computerabteilung noch einen Besuch ab und unterhielt sich eine Stunde mit dem Chef mathematiker über die neuen Verfahren, die inzwischen auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung und Vorsorge entwickelt worden waren.
Nachmittags war John dann wieder in seinem Büro und hatte kaum am Schreibtisch Platz genommen, als das Telefon schrillte.
Der Oberinspektor drückte seine Zigarette aus und hob ab. »Sinclair«, meldete er sich.
»Ein Gespräch aus Venedig«, sagte eine ferne Frauenstimme in schlechtem Englisch. »Einen Augenblick bitte, ich
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