GK0144 - Die Todesgondel
Feststellung.
»Nein.«
John Sinclair atmete tief aus. Man sah ihm nicht an, wie erregt er war. »Bill weiß noch nichts davon, daß seine Frau entführt worden ist«, sagte er leise.
Der Commissario ruckte herum. Seine dunklen Augen weiteten sich. »Und wo ist Signor Conolly? Ich hatte den Verlobten der ermordeten Carla Bonetti zu ihm geschickt.«
Anstelle einer Antwort reichte John dem Commissario den von Sheila geschriebenen Zettel.
»Via Dormena«, murmelte Tolini. »Dort hat Carla Bonetti gewohnt, wie ich von ihrem Verlobten gehört habe. Aber was suchen die beiden da?«
John hob die Schultern. »Ich kenne mich leider hier nicht aus.«
Tolini hatte sein Gesicht in nachdenkliche Falten gelegt. »Die Via Dormena liegt in einer ziemlich verrufenen Gegend«, sagte er leise.
»Die von den goldenen Masken kontrolliert wird«, fügte John Sinclair hinzu.
Der Commissario blickte seinen Kollegen aus London an. »Ja, das stimmt.«
»Dann wird Bill vielleicht eine Spur gefunden haben«, vermutete John.
»Aber wie? Wir sind seit Jahren hinter der Bande her. Und er ist erst ein paar Tage in Venedig.«
»Oft haben diese Leute mehr Glück«, meinte John. »Ich spreche aus Erfahrung. Und noch eins kommt hinzu, Commissario. Bill Conolly ist nicht allein. Und Carla Bonettis Verlobter wird die Stadt kennen.«
Der Commissario knetete seine Nase. »Das kann stimmen. Mario Stefani machte mir den Eindruck, als würde er den Tod seiner Verlobten nicht so ohne weiteres hinnehmen. Er wird sich rächen wollen.« Der Commissario ballte die Fäuste. »Oh, verdammt, das kann ins Auge gehen.«
John Sinclair stand schon auf dem Sprung. »Dann nichts wie in die Via Dormena.«
»Moment!« Domingo, Tolinis Assistent, hatte sich eingemischt. Er stand nahe der Badezimmertür, drückte jetzt die Klinke, merkte, daß abgeschlossen war, und sagte, während er den Schlüssel herumdrehte. »Ich habe aus dem Badezimmer Geräusche gehört.«
Als er die Tür aufstieß, waren John und Tolini schon neben ihm.
Die Frau lag auf dem Boden, inmitten einiger Wäschestücke. Sie war gekleidet wie ein Zimmermädchen. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, und aus ihrem Mund drang ein jämmerliches Stöhnen. Ihre rechte Stirnseite war geschwollen und blau angelaufen. Dort mußte sie ein Schlag getroffen haben.
Domingo half dem Zimmermädchen auf die Beine. Er führte es vorsichtig zu der Couch und legte es dort nieder.
Commissario Tolini rief inzwischen den Hotelarzt an.
Das Mädchen blickte die Männer verständnislos an und begann plötzlich zu schreien.
»Die Masken!« brüllte sie. »Die goldenen Masken – sie kommen! Nein, ich will nicht.«
Tolini schlug dem Mädchen gegen die Wange. Das Schreien stoppte wie abgeschnitten.
»Jetzt beruhigen Sie sich mal«, sagte der Commissario. »Wir gehören nicht zu den goldenen Masken. Wir sind von der Polizei, und bitte erzählen Sie, was geschehen ist.«
Das Mädchen berichtete. Mit stockender Stimme erzählte es von dem brutalen Überfall. Noch im nachhinein wurde es von der nackten Angst geschüttelt.
Tolini blickte John Sinclair an. »Ich glaube, die Aussage des Zimmermädchens ist Beweis genug. Sheila Conolly befindet sich tatsächlich in den Klauen der goldenen Masken.«
John gab keine Antwort. Seine Finger zitterten, als er sich eine Zigarette anzündete. Wäre er vielleicht nur eine Stunde früher gekommen, dann…
Es nutzte nichts, sich Vorwürfe zu machen. Wenn sie Sheila noch retten wollten, dann mußten sie handeln. Und zwar auf der Stelle.
Der Hotelarzt kam.
Tolini wies sich aus und weihte den Mann in den Fall ein, soweit es nötig war. Der Arzt begleitete das Zimmermädchen nach draußen. Die Kleine mußte sich hinlegen. Höchstwahrscheinlich hatte sie eine Gehirnerschütterung davongetragen. Das Protokoll konnte sie dann später unterschreiben.
John Sinclair drückte seine Zigarette aus. »Ich schlage vor, wir gehen nicht mit großer Besetzung vor. Drei Leute fallen nicht so sehr auf.«
Tolini nickte. »Einverstanden. Haben Sie eine Waffe, Mr. Sinclair?«
John lächelte. »Ja. Durch die Zollkontrolle geschmuggelt.« Der Geisterjäger hatte sich das Holster schon umgebunden, bevor Commissario Tolini eingetroffen war.
Der Commissario war schon an der Tür. »Kommen Sie, Signor Sinclair, jetzt ist jede Sekunde wichtig. Ich werde das Gefühl nicht los, daß sich Mr. Conolly und Mario Stefani in verdammten Schwierigkeiten befinden.«
Tolini ahnte nicht, wie recht er mit dieser
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