GK0180 - Der schwarze Würger
Kreisen der Partygäste zu suchen war. Erst Perry Clifton, dann Jonny Reno. Irgend jemand mußte etwas gegen diese Clique im Sinn haben. Aber wer? John brauchte sich nur die vier Namen, die Dan Clifton ihm gesagt hatte, vor Augen zu halten, um fast verzweifeln zu können. Diese Leute hatten genügend Feinde und auch solche, die vor einem Mord nicht zurückschreckten. Da war John Sinclair ganz sicher.
Der Geister-Jäger sah eine Heidenarbeit vor sich, und für ihn kam es jetzt darauf an, sich nicht zu verzetteln. Aber auch noch eine andere Möglichkeit war zu bedenken.
Er hatte den schwarzen Würger gesehen, hatte sogar auf den Unheimlichen geschossen. Dadurch hatte ihn John sich zum Feind gemacht. Unter Umständen war er schon das nächste Opfer auf der Liste des Würgers.
John beschloß, der nächsten Begegnung gewappnet entgegenzusehen. Heute hatte er noch mit normalen Kugeln geschossen, doch der Geister-Jäger hatte sich im Laufe der Jahre eine Waffensammlung zugelegt, die zwar seltsam, dafür aber sehr wirkungsvoll war, wenn es um die Bekämpfung finsterer Wesen ging.
John hatte geweihte Silberkugeln, geweihte Kreuze, Spezialdolche, magische Kreide, gnostische Gemmen und vieles andere mehr. Er war dafür gerüstet, einem Vampir ebenso das Leben auszuhauchen wie einem Dämon. Mehr als einmal hatte er das schon in der Vergangenheit bewiesen.
Vor wenigen Tagen erst hatte er Bakuur vernichtet, einen finsteren Dämon aus der Etruskerzeit, der in einem kleinen Schwarzwalddorf Angst und Schrecken verbreitet hatte.
John Sinclair trat an den Rand des Pools.
Der tote Dealer schwamm dicht unter der Wasseroberfläche. Arme und Beine waren ausgebreitet. Unter seinem offenstehenden Jackett hatte sich eine Luftblase gebildet, die den Körper langsam an die Oberfläche trieb.
John Sinclair fühlte einen bitteren Geschmack im Mund. Er war um Sekunden zu spät gekommen, hatte nicht mehr helfen können. Und das deprimierte ihn so.
Mit müden Schritten ging John Sinclair die Treppe hoch. Er hatte die drei Kugeln aufgehoben. Sie klimperten jetzt in seiner rechten Manteltasche.
Renos Leibwächter war schon wieder aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht. Er hockte auf dem Boden, stierte vor sich hin, und an seiner Schläfe wuchs langsam eine hühnereigroße Beule.
John stieß den Kerl an.
Tom hob den umflorten Blick.
»Hör zu«, sagte Sinclair, »dein Boß ist tot. Ich werde jetzt die Mordkommission anrufen. Muß ich dich noch mal ins Reich der Träume schicken, oder verhältst du dich auch so ruhig?«
Tom hob den Blick. »Der Boß ist tot?« fragte er mit zitternden Lippen.
»Ja.«
»Hast du ihn umgebracht?«
John trat sicherheitshalber einen Schritt zurück. »Nein, ich war es nicht.«
»Ich glaube keinem Bullen«, knurrte Tom tief aus der Kehle. John wußte, daß der Kerl in den nächsten Augenblicken durchdrehen würde. Deshalb kam er ihm zuvor und schickte ihn ein zweites Mal auf die Bretter.
Der Oberinspektor machte sich auf die Suche nach einem Telefon und fand es im Living-room.
Zwei Minuten später war alles erledigt. Die Mordkommission würde kommen.
Sinclair zündete sich eine Zigarette an. Gedankenverloren ging er wieder zurück in die Diele und kam gerade zurecht, um zu sehen, wie Nanette aus ihrer Ohnmacht erwachte.
John half dem Girl auf die Füße und führte es zu einem Sessel. »Mein Gott, ist mir komisch«, sagte Nanette mit rauher Stimme. Dann erst schien sie John zu erkennen. »Sie hier, Oberinspektor? Aber ich habe die Tür doch gar nicht aufgeschlossen. Ich konnte nicht, wissen Sie? Ich…«
»Schon gut, Nanette«, unterbrach John das Girl. »Ich bin ja auch so ins Haus gekommen.«
»Ja«, sagte Nanette. »Zum Glück, sonst hätte der schwarze Würger mich noch…« Plötzlich wurden Nanettes Augen groß. Angst stahl sich in ihren Blick. »Was ist mit ihm? Was ist mit Jonny?«
Sinclair hob die Schultern. »Ich kam um ein paar Sekunden zu spät«, sagte er.
Nanette preßte ihre Hände gegen den Busen. »Ist – er – tot?« fragte sie stockend.
John Sinclair nickte.
Nanette senkte den Kopf und begann leise zu weinen.
***
Die Bilder an der Stirnwand des Raumes waren der Traum eines jeden Kunstsammlers. Schwere, antike Ledersessel gruppierten sich um einen ovalen Tisch mit grünschimmernder Marmorplatte. Drei Wände wurden von starken Holzregalen eingenommen, in denen meterweise die Bücher nebeneinander standen. Zwei kostbare Stehlampen tauchten das Zimmer in einen warmen Lichtschein.
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