GK0180 - Der schwarze Würger
Angenehm duftender Tabakrauch schwängerte die Luft und stieg in blauen Fahnen gegen die holzverkleidete Decke.
Der Mann, zwischen dessen Zähnen der gebogene Pfeifenstiel steckte, saß in einem der Sessel. Er hatte einige Papiere vor sich auf den Knien liegen und blätterte sie durch.
Der Mann war Stuart F. Clifton.
Und er war dabei, die einzelnen Abschnitte seines Testaments durchzulesen. Am morgigen Tag wollte er zu seinem Anwalt gehen, um über eine Änderung des Testaments zu reden.
Stuart F. Clifton trug einen bequemen Hausmantel, der durch einen Kordelgürtel zusammengehalten wurde.
Mit seinem Sohn Dan hatte er nach dem Streit noch kein Wort gewechselt, doch tief in seinem Innern hoffte Stuart F. Clifton noch, daß Dan zurückkommen und sich entschuldigen würde.
Er selbst würde auf keinen Fall seinen Sohn aufsuchen. Das hatte er nicht nötig. Der Name Stuart F. Clifton war ein Begriff in England. Die Menschen mußten nach seiner Pfeife tanzen, nicht umgekehrt. Und so hatte er es auch immer in seiner Familie gehalten. Der Alte hatte regiert wie ein Patriarch. Er war kalt und unnahbar gewesen. Nur so hatte er es geschafft, sein Industrieimperium aufzubauen. Daran war auch seine Frau zugrunde gegangen. Vor fünfzehn Jahren war sie gestorben. Noch heute sah Stuart F. die Szene auf dem Friedhof vor sich, wie der Sarg langsam in das Grab gelassen wurde und wie ihn sein Sohn Dan dabei angesehen hatte.
Schon damals war es zu einem Bruch zwischen Vater und Sohn gekommen. Dan hatte sehr an seiner Mutter gehangen. Die beiden waren auch immer zusammengewesen, und Dan hatte sicherlich einiges mitbekommen, was damals noch gar nicht für seine Ohren bestimmt gewesen war.
Anders Perry. Er war überall negativ aufgefallen. Selbst Einfluß und Geld hatten ihn nicht auf der Eliteschule Eaton halten können. Perry Clifton war kurzerhand gefeuert worden und hatte sich dann seinem Hobby, den Mädchen, zugewendet.
Dies allerdings sehr intensiv. Vier Vaterschaftsklagen hatte der alte Clifton mit Geld bereinigt, und doch hatte er sich mit Perry besser verstanden als mit Dan.
Für Perrys Hobby hatte er mehr Verständnis. Es war menschlicher gewesen, während Dan nur vom Amazonas träumte und sich dabei von Beethovens Musik hatte berieseln lassen. Stuart F. Clifton liebte als Musik nur das Knistern der Scheine.
Mit der Zeit war das Verhältnis zu seinem Sohn Dan immer mehr abgekühlt. Es hatte Tage gegeben, an denen die beiden überhaupt nicht miteinander gesprochen hatten. Wie ein Eremit hatte sich Dan in seinem Keller vergraben und von Expeditionen nach Brasilien geträumt.
Einmal war Stuart F. Clifton in dem Keller gewesen. Die kultischen Gegenstände der Amazonasindianer hatten ihn erschreckt und zugleich verwirrt. Er war sich vorgekommen wie in einer fremden Welt und hatte fluchtartig den Raum verlassen.
In wenigen Tagen würde Perrys Beerdigung sein. Bis dahin wollte Stuart F. das Testament geändert haben.
Neben seinem Lieblingssessel befand sich ein alter Klingelzug. Clifton zog zweimal daran, und wenig später tauchte Henry, sein persönlicher Diener, auf.
Henry war schon fast siebzig Jahre alt und kannte die Clifton-Söhne von klein auf. Er kam am besten mit dem Alten zurecht, bei dem das übrige Personal praktisch von Monat zu Monat wechselte. Nur ein Stubenmädchen hatte es mal über ein Jahr ausgehalten. Henry war ein knochentrockener Typ. Er trug noch Kniebundhosen und ein kurzes, kaum bis zur Hüfte reichendes Jackett. Sein Gesicht war hager und faltig. Spitz stach die Nase daraus hervor. Henry hatte seine Hände an die Hosennaht gelegt. Mit nasaler Stimme fragte er: »Sie wünschen, Sir?«
»Bringen Sie mir einen Whisky.«
»Sehr wohl, Sir.«
Schon bald hatte der alte Clifton seinen Schluck. Henry hatte den Whisky auf einem Tablett serviert, ohne Eis und auch ohne Sodawasser.
Stuart F. Clifton nahm das Glas entgegen und sagte dann: »Danke, Henry, Sie können jetzt schlafen gehen.«
»Sehr wohl, Sir. Ich wünsche eine angenehme Nachtruhe.«
»Danke.«
Henry verschwand so lautlos, wie es sich für einen guten Diener gehört.
Der alte Clifton trank langsam und bedächtig. Die Pfeife hatte er in einen ledernen Ständer gestellt.
Der alte Clifton kam sich plötzlich unsagbar allein und verlassen vor. Er bewohnte zwar ein prächtiges Schloß, aber es war nicht mit Leben angefüllt. Alles wirkte kalt und leer. Es fehlten die Menschen, die Stuart F. jedoch so sehr verachtete. Er war mißtrauischer als
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