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GK0200 - Das Todeskarussell

GK0200 - Das Todeskarussell

Titel: GK0200 - Das Todeskarussell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Nacht hereingebrochen war, konnten die beiden Jungen noch jede Einzelheit erkennen. Der helle Schnee reflektierte das Licht. Vor diesem Hintergrund ließ er die Häuser der kleinen Ortschaft aussehen wie ein Scherenschnitt. Mitten auf dem Platz stand das Karussell. Es war ebenfalls mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Die Holzbohlen des Daches bogen sich unter der Last. Eiszapfen – lang wie Speere – klebten an den Rändern. Armselig sahen die Hütten der Zigeuner aus. Sie hatten ihre Zelte nicht aufbauen können, sondern hausten in den drei Schaubuden. Die beiden alten Traktoren waren mit einer Plane abgedeckt, auf der sich ebenfalls der Schnee gesammelt hatte.
    Keiner von der Sippe ließ sich draußen blicken. Die Menschen hockten in den Buden, drängten sich um ein einziges Feuer, dessen schwarzer Rauch träge aus einer offenen Tür drang.
    Es war schon ein erbärmliches, menschenunwürdiges Leben, das die Zigeuner führten.
    Aber so war es immer. Überall wurden sie weggejagt. Niemand wollte etwas mit ihnen zu tun haben. Sie, die sich die »Söhne des Windes« nannten, waren geschlagene, gejagte Menschen. Aber ihr Stolz war nicht gebrochen. Nach wie vor pulsierte das heiße Blut ihrer Vorfahren durch die Adern, wurden Leidenschaften geweckt und Fehden ausgetragen, und wehe dem Fremden, der es wagte, sich an ihren Frauen zu vergreifen. Er war des Todes.
    Marco und Bela kamen an einer der Buden vorbei, deren Tür geschlossen war.
    Jetzt wurde sie spaltbreit geöffnet. Ein Mädchengesicht – von dunklen langen Haaren umrahmt – lugte hervor. Die Kleine hieß Lucia, war genauso alt wie die beiden Jungen und die beste Tänzerin der Sippe. Im Augenblick jedoch fror sie erbärmlich. Die schwarze Stola hielt die Kälte kaum ab.
    »Wo wollt ihr hin?« wisperte sie. Die Lippen bebten vor Kälte. Sie waren blau angelaufen.
    Marco blieb stehen, während Bela ein paar Schritte weiterging. »Wir haben einen Auftrag bekommen«, sagte er, und seine Augen glühten.
    »Welchen?«
    »Das darf ich dir nicht verraten. Aber noch in dieser Nacht werden wir wieder so stark sein wie früher. Glaubst du mir, Lucia?«
    »Hat Chandra euch geschickt?«
    »Ja.«
    Die Stimme des Mädchens wurde noch leiser. »Dann hütet euch vor ihm. Er ist ein Mann, der die Sippe ins Verderben führt.«
    »Still!« zischte Marco. »Sag das nicht noch mal. Oder er wird dich bestrafen.«
    Lucia schloß die Tür. Durch das Fenster sah sie den beiden Jungen nach, und ihre Lippen murmelten Gebete.
    Marco und Bela gingen den Weg ins Dorf. Sie kamen an der Kirche vorbei und passierten auch den Friedhof. Die Grabsteine lagen unter einer dicken Schneedecke. In der Krone einer Trauerweide hockten einige Raben. Sie flatterten auf, wie die Jungen den Baum passierten. Schnee stiebte zu Boden.
    Wie leergefegt war das Dorf. Kein Mensch ließ sich auf der Straße blicken. Aus den Schornsteinen der Häuser stiegen Rauchfahnen senkrecht in den Himmel. Kein Windhauch bewegte sie.
    Bela und Marco schlichen durch die Gassen. Der Schnee – auf der Oberfläche verkrustet – knirschte unter ihren Schuhen, die man kaum noch als solche bezeichnen konnte. Es waren alte durchlöcherte Lederstiefel, mit Felllappen umwickelt.
    Hinter den meisten Fenstern brannte Licht. Der Schein schimmerte durch die Vorhänge.
    »Am liebsten würde ich ihnen die Scheiben einschlagen«, flüsterte Bela vor unterdrückter Wut.
    Marco lachte bitter. »Beherrsche dich. Es wird noch mal die Zeit kommen, wo wir wieder siegen. Dann bist du der König, und andere werden dir zu Füßen liegen.«
    Der junge Zigeuner hatte so überzeugend gesprochen, daß Bela seinen Worten glaubte.
    Sie schlichen weiter und gelangten in den Teil des Dorfes, in dem die Wohnhäuser und Gehöfte der Bauern lagen. Sie lagen zum Teil weit verstreut. Hier begannen auch die Felder, die sich bis zu den Berghängen hinzogen und jetzt eine weiße, gerade und glitzernde Fläche bildeten, über der in etwa ein Yard Höhe dunstiger Nachtnebel wie ein großes Tuch lag.
    Marco blieb stehen. »Wir nehmen den Hof des alten Wilson. Der Kerl ist der reichste Bauer, und wenn dem ein Huhn fehlt, das merkt er gar nicht.«
    Bela nickte. Er war mit allem einverstanden, was Marco sagte. Der Hof lag versetzt zur Straße hin.
    Eine Mauer schützte ihn vor Eindringlingen.
    Die beiden Zigeuner überkletterten die Mauer in Windeseile, sprangen an der anderen Seite herunter und landeten im weichen Schnee. Klar und deutlich waren ihre Fußabdrücke zu

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