GK0215 - Die Rache des Kreuzritters
ich ehrlich zu«, erwiderte Paulette. »Ich mag die Natur nur, wenn ich auch den entsprechenden Komfort dabei habe.«
Irene stieß den Rauch durch die Nasenlöcher aus. »Weshalb bist du denn dann mitgefahren?«
»Ich wollte Michael einen Gefallen tun.«
Irene wiegte den Kopf. »Das käme mir nicht in den Sinn. Rainer und ich sind uns da einig, wenn der eine keine Lust hat, in die Berge zu fahren, dann fährt er eben allein. Ein Urlaub unter Zwang ist nichts. Liebst du Michael denn so?«
Paulette ließ sich neben Irene auf das Bett fallen. Sie verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Irene schüttelte den Kopf. »Aber ihr seid doch schon so lange zusammen…«
»Das ist es ja eben. Wir haben uns aneinander gewöhnt. Doch wenn wir heiraten, dann ist der Schritt der Trennung endgültig verbaut. Zumindest mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden.«
»Das verstehe, wer will«, meinte Irene. »Ich für meinen Teil komme mit Rainer ganz gut aus. Wenn er auch hin und wieder mal aus der Reihe tanzt. Himmel, er ist ein Mann, und festbinden kann ich ihn auch nicht.« Irene drückte die Zigarette aus und stand mit einem Schwung auf. »Idiotie, jetzt zu fahren. Sieh dir nur mal den Himmel an. Der ist schwarz.«
Die beiden Frauen schauten aus dem schmalen Turmfenster. Hoch über ihnen wirbelte der Wind die Wolken durcheinander. Das gesamte Firmament schien in Bewegung geraten zu sein. Das Gewitter stand dicht bevor.
»Das wird ein Unwetter geben«, sagte Irene. »Ich werde noch mal mit Rainer reden. Wir bleiben hier, bis alles vorbei ist. Dann können wir immer noch fahren. Und dieser komische Kreuzritter wird schon nicht antanzen.«
Irene ging zur Tür. »Ich gehe noch mal hoch in unser Zimmer«, sagte sie.
»Willst du doch packen?« fragte Paulette.
Irene lächelte. »Sicherheitshalber.« Sie hatte die schwere Türklinke schon in der Hand. »Bis gleich.«
Paulette war wieder allein. Mit einer sicheren Bewegung zog sie sich das T-Shirt über den Kopf. Sie schlüpfte in ein frisches und kämmte sich die Haare durch. Dabei brauchte sie den Kamm nur zweimal hin und her zu bewegen.
Die Reisetasche war schon gepackt. Sie hatten ja eigentlich noch etwas essen sollen, aber Irene hatte aufgehört, die Kochvorbereitungen zu treffen. Auch ihr schien es nicht ganz geheuer zu sein.
Paulette griff nach ihren Zigaretten. Nach dem ersten Zug mußte sie husten. Sie rauchte viel zuviel. Sie wußte es zwar, ließ aber trotzdem nicht von den Glimmstengeln ab.
Unruhig wanderte sie im Zimmer auf und ab. Wo die beiden Männer nur blieben? Normalerweise hätten sie längst da sein müssen. Hatten sie sich die Sache noch einmal anders überlegt?
Paulette spürte, daß die Unruhe in ihr wuchs. Sie wurde immer nervöser. Dieses Zimmer im Turm fiel ihr auf die Nerven. Am liebsten wäre sie fluchtartig davongelaufen. In der ersten Nacht hatte sie nicht Schlafen können. Überall knarrte und knackte es. Das Holz der alten Möbel arbeitete. Paulette hatte die Bettdecke bis über den Kopf gezogen. In den Ecken des Zimmers, hoch unter der Decke, hingen Spinnweben. Paulette hatte keine Lust gehabt, sie zu entfernen. Nie mehr einen romantischen Urlaub, dachte sie.
Plötzlich hörte sie Schritte!
Direkt vor ihrer Tür.
Es waren schwere Tritte, die Paulette nicht kannte. Michael ging anders, leichtfüßiger.
Ein unbehagliches Gefühl machte sich in Paulette breit. Sie ging zur Tür.
Drei Schritte davor wurde sie plötzlich mit einem Ruck aufgestoßen.
»Michael…« Paulettes Augen wurden groß. Ihr Mund öffnete sich zu einem Schrei, doch noch kam kein Ton über ihre Lippen. Das Entsetzen hatte sie gelähmt.
Vor ihr stand der Kreuzritter!
Häßlich grinste der Totenschädel unter dem Helm. In der Hand hielt der Ritter sein Schwert. Die Rüstung glänzte matt. Knochenhände umklammerten den Griff der Waffe.
Es war der reinste Horror!
Der unheimliche Ritter hob den rechten Arm, drehte ihn etwas zur Seite.
Innerhalb von Sekundenbruchteilen wußte Paulette, was der Ritter mit ihr vorhatte.
Er wollte sie töten!
Das Bild der Frau in dem Schuppen fiel ihr wieder ein. Deutlich sah sie den Körper vor sich.
Und das gleiche Schicksal sollte ihr widerfahren!
Paulette hielt es nicht mehr aus. Ihre Angst, ihr Entsetzen entlud sich in einem gellenden Schrei, der spitz und kreischend durch den Burgturm hallte.
Pfeilschnell raste der rechte Arm des Kreuzritters nach unten.
Der Schrei brach ab!
Der Kreuzritter hatte
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