GK0215 - Die Rache des Kreuzritters
seine grauenhafte Tat vollbracht…
***
Rainer Schröder und Michael Kramer behinderten sich gegenseitig, als sie auf die Wendeltreppe zurannten. Schröder erreichte sie als erster.
Wie ein Wirbelwind stürmte er die Stufen hoch. Sein Herzschlag schien sich verdoppelt zu haben, und der kalte Angstschweiß lag wie eine zweite Haut auf seinem Rücken.
Michael Kramer erging es nicht anders. In ihm fraß die Angst noch mehr.
Die Angst um Paulette.
Die erste Kehre, die zweite, die dritte…
Rainer Schröder sah den Kreuzritter als erster. Er stieß einen Schrei aus und blieb wie vor eine Mauer gerannt stehen. Tellergroß wurden seine Augen, abwehrend hielt er die Hände vorgestreckt.
Michael Kramer prallte gegen seinen Freund. Rainer kam aus dem Gleichgewicht und stürzte. Und da sah Michael den Kreuzritter ebenfalls. Er stand erhöht, drei Stufen von ihm entfernt.
In der rechten Hand hielt er sein Schwert, und das frische Blut daran war nicht zu übersehen!
Michael glaubte, den Verstand zu verlieren. Sein Gesicht verzerrte sich in unsagbarem Entsetzen.
»Pauletteee!« schrie er.
»Neiiinnn…!«
Der Tränenstrom kam mit einem Mal. Das schreckliche Bild verwischte vor seinen Augen. Der Totenschädel unter dem Helm begann zu grinsen, dann zu zerfließen.
Michael Kramer konnte nicht mehr.
Zu groß war der Schock.
Bewußtlos brach er in die Knie. Er rutschte noch zwei Stufen zurück, bis er von einer Längsstrebe des Geländers aufgehalten wurde.
Der Kreuzritter lachte. Es war ein widerliches abstoßendes Lachen, in dem aber auch Triumph mitschwang. Und es mischte sich mit dem gewaltigen Donnerschlag, der den Beginn des Unwetters ankündete. Dann zuckten Blitze auf. Durch die schmalen Turmfenster drang sekundenlang blendende Helligkeit und zeichnete die makabre Szene wie auf einen gut ausgeleuchteten Film.
Der Kreuzritter ging weiter. Vorbei an Rainer Schröder, der mit einem irren Ausdruck in den Augen am Boden hockte und auf den tödlichen Schwerthieb wartete.
Doch der blieb aus!
Der Ritter ging vorbei. Langsanrund stelzend lief er die Stufen hinunter. Die Rüstung bewegte sich knarrend in den Scharnieren, das darüberhängende Kettenhemd klirrte.
Er passierte auch den ohnmächtigen Michael Kramer. Das Halbdämmer, das im Turm herrschte, verschluckte ihn dann.
Draußen hatte sich die Natur wieder beruhigt. Es folgte kein weiterer Donnerschlag mehr, und auch kein Blitz spaltete die Wolken.
Ein trügerischer Frieden lag über der Gegend.
Dann Schritte.
Leichtfüßig. Sie kamen von oben die Wendeltreppe hinunter.
»Rainer, Michael, Paulette! Was ist geschehen? Der Schrei vorhin? Wer hat ihn ausgestoßen? Und warum?«
Irene Held lief die Treppe hinunter. Noch bevor sie die letzte Wendel erreicht hatte, sah sie die beiden Freunde.
Und die Blutspur, die sich auf den Stufen befand…
Der Verdacht, der Irene kam, war schrecklich.
Neben Rainer ging sie in die Knie. Sie sah, daß er gar nicht mitbekam, was um ihn herum vorging, rüttelte ihn an der Schulter.
Rainer sagte nichts. Seine Lippen bewegten sich zwar, doch kein Ton drang aus seinem Mund.
»Mein Gott, was ist nur geschehen?« flüsterte Irene mit erstickter Stimme. Sie biß sich auf den Handballen. Die Tränen kamen automatisch. Sie konnte sie nicht zurückhalten.
Sie ging weiter zu Michael Kramer. Er lag auf der Seite und blutete am rechten Ellbogen. Er hatte ihn sich beim Sturz aufgeschlagen.
Irene Held schluckte und zog die Nase hoch. Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen aus den Augen.
»Paulette«, flüsterte sie. »Paulette…«
Sie drehte sich um und ging die Stufen hoch. Zuvor warf sie noch einen Blick auf Rainer Schröder. Der junge Mann war noch immer völlig apathisch. Etwas mußte ihn unheimlich geschockt haben.
Irene ging weiter. Die linke Hand legte sie um das rostige Geländer. Ihre Gesichtsmuskeln zuckten, der eigene Herzschlag kam Irene überlaut vor.
Still war es in dem Turm geworden.
Der Tod hatte Einzug gehalten, und Irene fühlte, daß sie bald etwas Grauenhaftes zu Gesicht bekommen würde.
Trotzdem ging sie weiter.
Immer höher…
Die Tränen versiegten.
Dann stand sie auf dem kleinen Absatz, der zu einem der Turmzimmer führte.
Die Tür zum Zimmer stand halb offen. Sie bewegte sich leicht. Es herrschte Durchzug.
Irene konnte schräg in das Zimmer hineinblicken. Sie sah einen Teil des Bettes, die Kommode, das alte Bild an der Wand.
Keine Spur von Paulette Plura.
Irene Held drückte die Tür
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