GK072 - Die Feuerbestien
verhindern kann. Ich werde mit ihm spielen mit diesem Narren, den seine Erfolge über einige Dämonen größenwahnsinnig gemacht haben. Alle Tiefen der Hölle wird er auszuloten haben. Und zuletzt wird er durch mich auf die schrecklichste Art zugrunde gehen! Und du, Vicky Bonney du wirst mir dabei helfen!«
Vicky sträubte sich verzweifelt dagegen.
»Nicht gegen Tony! Niemals gegen Tony!«, krächzte sie benommen.
»Du trägst ein Amulett, das mir nicht gefällt, Vicky.«
»Ja«, keuchte das Mädchen schwitzend.
»Nimm es ab!«
»Nein.«
»Nimm es sofort ab!«, herrschte sie die Stimme an.
Vicky schüttelte zitternd den Kopf. Sie wollte das Amulett behalten. Sie durfte es nicht abnehmen, sonst war sie verloren.
Doch in ihr war etwas, das ihren Widerstand brutal brach. Entsetzt stellte sie fest, dass ihre Hände etwas taten, das sie ihnen nicht befohlen hatte. Sie griffen – nach dem Hals. Ihre Finger lösten das Lederband des Amuletts.
Sie legte es einfach weg. Die Hexe lachte zufrieden.
»So ist es brav, Vicky. Nun gehört auch deine Seele mir!«
***
Während des Mittagessens war Vicky sehr schweigsam. Ich vermutete, dass sie das Erlebnis der vergangenen Nacht noch nicht ganz verarbeitet hatte. Sie trug einen Rollkragenpulli. Deshalb konnte ich nicht sehen, dass sie ihr Amulett nicht mehr trug.
Mehrmals versuchte ich, eine Unterhaltung anzufangen, aber Vicky war so einsilbig, dass kein Gespräch in Fluss kam. Nach dem Essen zog sie sich in die Küche zurück. Es rief in mir ein Unbehagen hervor, zu sehen, wie sie unter etwas litt, über das sie mit mir nicht sprechen wollte. Vielleicht war die Zeit dafür noch nicht reif. Vicky versuchte stets, erst mal selbst mit ihrem Problem fertig zu werden. Erst wenn sie das nicht schaffte, kam sie damit zu mir. Ich war also gezwungen, noch zu warten.
Am Fenster stehend, kaute ich gedankenverloren auf einem Lakritzbonbon herum.
Plötzlich war mir dieses Nichtstun lästig.
Ich sagte Vicky, ich würde zu Professor Selby hinübergehen. Sie hatte nichts dagegen.
Selby saß über den dicken alten Büchern, die er sich geliehen hatte.
Schwer und groß waren sie. Zehn Zentimeter dick. Das Papier war total vergilbt, stark abgegriffen, die Schrift an manchen Stellen schlecht zu lesen.
»Schon was Brauchbares herausgefunden, Lance?«, erkundigte ich mich.
»Vielleicht«, sagte Professor Selby.
Er blätterte einige Seiten zurück und schob mir eines der Bücher zu, damit ich lesen konnte, was er entdeckt hatte.
Es war von einer Hexe namens Sarah die Rede, die hier in der Gegend ihr Unwesen getrieben hatte. Mütter brachten blinde Babys zur Welt. Sarah machte kraftstrotzende Männer und junge Frauen unfruchtbar. Sie brachte Unglück und Unheil über diesen Teil von London, bis man sie eines Tages fasste und vor den Richter schleppte. Die Hexenprobe bewies eindeutig, dass Sarah eine Hexe war. Der Richter fällte das Urteil. Sie sollte auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Sarah stieß wüste Verwünschungen aus und drohte den Menschen, sie bis in alle Ewigkeit hinein zu verfolgen, zu peinigen und zu quälen, wenn man sie auf den Scheiterhaufen stellte. Man kümmerte sich nicht um ihre Flüche und Drohungen. Sie wurde an einen Pfahl gebunden. Der Scheiterhaufen wurde in Brand gesetzt. Bald brannte die Hexe lichterloh.
Plötzlich fing es zu regnen an.
Obwohl der Himmel blau war, fing es zu regnen an. Die sintflutartigen Wassermassen löschten das Feuer. Zu diesem Zeitpunkt war der Körper der Hexe bereits tot. Man wollte aber ganz sicher gehen, dass sie nicht mehr wiederkam. Deshalb mauerte man sie im Keller ihres eigenen Hauses ein.
»Im Keller!«, sagte ich nachdenklich.
Obwohl das Haus der Hexe nicht näher beschrieben war, glaubte ich doch, mit Sicherheit sagen zu können, dass es jenes Haus war, in dem ich mit Vicky wohnte.
Irgendwo in unserem Keller waren also die Gebeine der Hexe Sarah bestattet.
Professor Selby zeigte mir andere Aufzeichnungen. Hier war niedergeschrieben, was mit den Leuten geschehen war, die in Sarahs Haus eingezogen waren. Viele hatten sich in einem Anflug von geistiger Umnachtung das Leben genommen. Einige waren als grausam verstümmelte Leichen im Keller aufgefunden worden. Andere waren für immer spurlos verschwunden. Auch die Nachbarschaft hatte in all den vielen Jahren, die seit Sarahs Tod vergangen waren, niemals Ruhe vor dieser verfluchten Hexe gehabt.
Es war Zeit, dass wir sie vernichteten.
»Morgen!«, sagte Lance Selby
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