GK189 - Dämonen an Bord
von magischen Formeln und Sprüchen. Es gelang ihm, Geister zu beschwören und mit Personen Kontakt aufzunehmen, die bereits ins Jenseits abgetreten waren. Acht Tage vor Mortimers Entlassung aus dem Gefängnis starb sein Zellengenosse. Mortimer holte ihn zwei Tage nach seinem Tod noch einmal in die Zelle zurück. Sie unterhielten sich fast die ganze Nacht. Schließlich sagte die Erscheinung: »Du warst ein guter Schüler, Roscoe. Laß das, was ich dir beigebracht habe, nicht verkümmern. Die Schwarze Magie kann dich zu einem reichen, mächtigen Mann machen. Du mußt sie nur richtig anzuwenden wissen.«
»Ich werde sie anwenden«, versprach Mortimer mit verkniffenen Zügen. »Du wirst dich noch darüber wundern, was ich mit ihrer Hilfe alles zustande bringen werde.«
»Ich muß jetzt gehen. Es wird bald hell.«
»Gehab dich wohl«, schmunzelte Mortimer. »Und mach mir die Mächte der Finsternis gewogen.«
»Du hast in mir einen zuverlässigen Verbündeten im Schattenreich«, sagte der Alte. Dann zerfaserten seine Konturen. Er zerfiel, löste sich im Bruchteil einer Sekunde vollends auf.
***
Und nun war Roscoe Mortimer wieder auf freiem Fuß. Er war voller Pläne. Und er war gerade im Begriff, diese Pläne zu realisieren. Zwischendurch mußte er sich in regelmäßigen Abständen im Büro seines Bewährungshelfers melden. Das war zwar lästig, aber leider unumgänglich. Mit einer unwilligen Miene trat Mortimer ein. Chad Sculler, der Bewährungshelfer, hob seinen kantigen Schädel. Der Mann war rothaarig, hatte hellgraue Augen und eine Boxernase. Seine breiten Schultern und die klobigen Fäuste verrieten, daß er als Gegner nicht zu unterschätzen war.
Mortimer rümpfte die dicke Nase, während er die kahlen Wände musterte. »Dieses Loch erinnert mich immer an meine Zelle«, sagte er zu Sculler.
»In gewissem Sinne leben wir alle in irgendeiner Zelle«, philosophierte der Bewährungshelfer. Er wies auf den Besucherstuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Mortimer setzte sich. Sculler fragte: »Wie geht’s denn so?«
»Mies«, knurrte Mortimer. »Es ginge mir bestimmt besser, wenn ich nicht immer wieder hierherkommen müßte.«
»Ich kann’s leider nicht ändern«, sagte Chad Sculler.
Mortimer grinste anzüglich. »Sie wollen’s auch gar nicht ändern, sonst haben Sie ja keinen Job mehr.«
»Vielleicht hast du recht. Aber vielleicht solltest du die Sache auch von einer anderen Warte aus betrachten. Sieh mal, du bist straffällig geworden, man hat dich eingesperrt, und ich soll dich jetzt wieder resozialisieren.«
Mortimer lachte. »Ein prima Wort. Aber es taugt nichts. Ich finde mich schon selber wieder zurecht.«
»Das will ich dir gern glauben. Aber das Gesetz ist der Meinung, daß wir für eine Weile füreinander da sein sollten. Was mich angeht, so erfülle ich diese Pflicht.«
»Ich ja auch«, murrte Mortimer. »Sonst wäre ich nicht hier, oder?«
Sculler nickte. »Vollkommen richtig. Erzähl mir ein bißchen was.«
»Hören Sie, ich bin kein Märchenonkel.«
»Warum denn so aggressiv?«
»Na ja, wenn Sie mir so dämlich kommen.«
»Ich möchte wirklich hören, wie’s dir so geht.«
»Es geht mir prima – wenn ich draußen bin.« Mortimer bleckte die Zähne. »Und ich bin so sauber wie ‘ne frische Babywindel. Das sollten Sie auf jeden Fall in Ihren Bericht schreiben.«
»Ich werde es nicht vergessen«, sagte Sculler. »Kann ich sonst noch was hineinschreiben?«
Roscoe Mortimer kniff die Augen zusammen. »Yeah. Schreiben Sie: R. M. macht keine krummen Sachen mehr. Davon hat er ein für allemal die Nase voll. Verbrechen zahlt sich nicht aus. Ich bin im Knast auf diese Weisheit gestoßen.«
»Freut mich, daß du dich zu dieser Erkenntnis durchgerungen hast, Roscoe«, sagte der Bewährungshelfer mit einem freundlichen Lächeln.
Du Blödmann! dachte Mortimer amüsiert. Du hast keine Ahnung, daß ich dir die Hucke vollüge. Erst gestern nacht habe ich vier Tankstellen überfallen. Tut mir leid. Mußte sein. Ich brauche ein Startkapital.
Er blieb im ganzen zwanzig Minuten. Chad Sculler gab ihm wie immer gute Tips auf den Weg mit, und Mortimer dachte, der Bewährungshelfer möge sich alle seine Tips an den Hut stecken. Als er wieder auf der Straße war, fühlte er sich besser.
Mortimer blickte auf seine Armbanduhr. Jetzt konnte er seine Vorbereitungen weiter vorantreiben. Er betrat die nächste Telefonbox. Der Dirne klimperte in den Automaten. Mortimer wählte die Nummer einer
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