GK198 - Der Stierdämon
freizukommen.«
Tränen glänzten in Melissas Augen, doch der Perser hatte kein Mitleid mit ihr. Er war ein williges Werkzeug des geflügelten Stiers, und was ihm von Mesos, dessen Knecht, aufgetragen wurde, führte er aus, ohne darüber nachzudenken, ob es recht oder unrecht war. Mesos hatte von ihnen verlangt, sie sollten ihm Melissa Ford bringen, und das geschah nun so zuverlässig, wie der Gesichtslose es von ihnen erwarten durfte.
Durch Zufall warf Kadschar einen Blick durch die Heckscheibe. Danach wollte er sich wieder umdrehen, doch er erstarrte mitten in der Bewegung.
»Teufel!« fauchte er.
»Was ist?« fragte Pahlev und warf unwillkürlich einen Blick in den Rückspiegel.
»Siehst du den hellen Wagen?«
»Ja.«
»Er folgt uns.«
»Unsinn!« sagte Pahlev.
»Doch! Doch. Er folgt uns!«
Die Frontscheibe des Ford spiegelte. Dadurch war nicht zu erkennen, wer im Wagen saß. Man konnte nur die Konturen von zwei Personen erkennen. Pahlevs Blick pendelte nun zwischen der Fahrbahn und dem Rückspiegel rasch hin und her. Er drückte etwas mehr aufs Gaspedal. »Wir werden gleich sehen, ob du recht hast«, sagte er zu Karim Kadschar, und dann steuerte er die Altstadt an, wo er um einige Blocks mehrere blitzschnelle Haken schlug. Als ihnen der Ford danach immer noch auf den Fersen war, war es sicher. Sie wurden verfolgt.
***
»Jetzt wissen sie, daß wir hinter ihnen sind«, sagte Vladek Rodensky nach dem ersten Haken. Er schob sich nervös die Brille zurecht und knurrte zu Snow hinüber: »Ich rate Ihnen, sich jetzt gut festzuhalten. Wenn wir dranbleiben wollen, müssen wir fahren wie vom wilden Affen gebissen.«
»Mein Gott, Melissa«, jammerte der Fotoreporter. Er biß sich in die Unterlippe. »Das arme Girl. Ich bringe diese Banditen um, wenn wir sie erwischen.«
Rodensky konzentrierte sich auf die Fahrt durch die Altstadt. Fußgänger liefen ihm vor die Motorhaube. Er bremste blitzschnell ab, die Pneus quietschten schrill. Erschrocken spritzten die Leute auseinander. Rodensky trat sofort wieder aufs Gaspedal. Der Pinto jumpte vorwärts, holte in schmalen Gassen wieder auf, blieb auf Sichtweite hinter dem bordeauxroten Wagen der Kidnapper.
Als sie eine breitere Straße erreichten, schrie Snow: »Geben Sie jetzt mal tüchtig Gas, Rodensky. Versuchen Sie die Kerle zu überholen. Schneiden Sie mit unserem Wagen in ihre Fahrbahn, bringen Sie die verfluchten Verbrecher zum Stehen. Auf unser Fahrzeug brauchen Sie keine Rücksicht zu nehmen. Ich komme für jeden Schaden auf. Verdammt noch mal, ich ertrage es nicht mehr länger, bloß hinter diesen Gangstern herzufahren. Ich will, daß Melissa endlich keine Angst mehr haben muß!«
Rodensky nickte. Er preßte die Lippen zusammen, seine Augen wurden schmal. Dann trat er das Gaspedal bis zum Bodenblech durch. Der Motor des Ford dröhnte. Der Wagen legte sich hinten tief in die Federn. Wie ein Raubtier schoß er vorwärts. Snow stemmte die Beine gegen den Boden. Mit verkrampfter Miene hielt er sich am Beifahrersitz fest.
Rodensky ließ den Ford Pinto ausscheren. Der cremefarbene Wagen schoß auf der Überholspur vorwärts.
»Schneller! Schneller! Schneller!« schrie Snow wie von Sinnen. »Melissa! Du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben! Melissa! Wir kommen!«
Die Schnauze des Pinto erreichte das Heck des Kidnapperwagens. Hank Snow saß mit kribbelnden Nerven neben Rodensky. Mit glühenden Augen starrte er zu den Persern hinüber. Seine Fäuste ballten sich. Die Knöchel traten weiß hervor.
Rodensky holte das letzte aus dem Pinto heraus.
Da passierte etwas Unerklärliches…
***
Als der cremefarbene Ford hinten aufdrehte, rief Karim Kadschar wütend: »Aga!«
Aga Pahlev nickte nur. Er hatte im Rückspiegel gesehen, was die Verfolger für ein Manöver eingeleitet hatten. »Ruhig!« knurrte er leise. »Ganz ruhig, Karim!«
»Aga, sie holen auf!«
»Laß sie kommen.«
»Sie werden uns zu stoppen versuchen!«
»Es wird ihnen nicht gelingen!« sagte Pahlev zuversichtlich.
Kadschar schaute den Mann mit der roten Narbe nervös an. »Was hast du vor?«
Pahlev grinste gemein. »Wir werden Mesos bitten, uns zu helfen!«
Kadschar nickte hastig. »Ja. Mesos muß uns helfen.«
»Rufe ihn!«
Karim Kadschar setzte sich gerade. Er schloß die Augen, verschränkte die Arme vor der Brust, fiel in Trance, murmelte unverständliche Worte, wurde leichenblaß und hörte gleich darauf zu Atmen auf. Er verfiel zusehends. Starr waren seine Züge. Er schien
Weitere Kostenlose Bücher