GK198 - Der Stierdämon
Mausoleum auch von innen gesehen?«
»Nein«, sagte der Fotoreporter.
»Wie viele Eingänge gibt es?« fragte Rodensky.
»Einen.«
»Kommen Sie!«
Rodensky marschierte los. Snow folgte ihm mit blassem Gesicht. Die beiden Männer schritten die Straße entlang und blickten zu dem gegenüberliegenden Mausoleum hinüber. Es war ein Prachtbau. Errichtet von Reza Alis Anhängern.
»Wie ist er gestorben?« fragte Rodensky den Engländer.
»Wer?«
»Der Hexer.«
»Er hat seinem Leben mit einem Krummdolch ein Ende gesetzt.«
»Selbstmord hat er begangen?« fragte Vladek Rodensky verwundert. »Weshalb denn das?«
»Angeblich hat ihn der Satan von dieser Welt abberufen, weil er mit ihm in der Hölle höhere Pläne hatte.«
»Er stieg in der Unterwelthierarchie auf«, sagte Rodensky und nickte.
»Vermutlich ja«, gab Snow zurück. Seine Augen waren unentwegt auf das Mausoleum gerichtet. Vor dem geschlossenen Eingang gab es düstere Arkaden, die mit glasierten Kacheln geschmückt waren. Das ganze Bauwerk war mit einer mächtigen Kuppel gekrönt. Rodensky und Snow umrundeten den Park. Plötzlich blieb der Brite wie angewurzelt stehen. »Da!« stieß er hastig hervor. »Sehen Sie, Vladek!«
Rodensky schaute in die angezeigte Richtung und entdeckte den bordeauxroten Wagen, hinter dem sie her gewesen waren. Die Männer eilten zu dem Fahrzeug. Es war leer. Auf der hinteren Sitzbank glänzten einige goldblonde Haare. Als Snow sie bemerkte, krampfte sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Er stöhnte gepeinigt auf. Seine Augen füllten sich mit Zorn.
»Wir sind richtig, Vladek«, sagte er heiser. »Melissa muß in dieses Mausoleum gebracht worden sein. Wir müssen sie da rausholen!«
Rodensky blickte zum Himmel. »Es wäre besser, die Dunkelheit abzuwarten«
Snow schüttelte heftig den Köpf. »Das schaffe ich nicht. So lange kann ich unmöglich warten.«
»Na schön, dann riskieren wir’s eben jetzt gleich.«
***
Rodensky wußte, daß es Irrsinn war, was sie sich zumuteten. Mesos hatte ihnen vor einigen Minuten eine kleine Kostprobe seines Könnens geliefert. Vermutlich hätte er es auch spielend fertiggebracht, sie zu vernichten. Daß er es nicht getan hatte, bewies Rodensky, wie wenig Mesos sie fürchtete. Sie hätten froh sein sollen, diese erste Begegnung mit dem Gesichtslosen heil überstanden zu haben. Sich nun in dieses Mausoleum zu begeben, war beinahe schon Selbstmord. Aber durfte Rodensky den Engländer in dieser kritischen Situation allein lassen? Snow hätte das Mausoleum des Hexers auf jeden Fall betreten. Seine Furcht war nicht so groß wie die Sorge um Melissa. Vladek durfte den Mann jetzt nicht im Stich lassen. Er hoffte auf sein Glück, das ihm schon so oft zur Seite gestanden hatte, wenn eine Sache schwierig geworden war.
Rodensky legte seine Hand auf die schwere Eichentür. Verwundert stellte er fest, daß sie sich nach innen drücken ließ. Er und Snow standen im düsteren Schatten der Arkaden. Als der Engländer sah, wie sich die Tür öffnete, weiteten sich seine glasigen Augen. Seine Zunge tanzte über die trockenen Lippen. »Egal, was uns da drin erwartet, Vladek!« stöhnte er. »Wir werden unser Schicksal meistern.«
»Das hoffe ich«, sagte Rodensky.
Die Tür war nun so weit offen, daß die Männer eintreten konnten. Rodensky machte den ersten Schritt. Glatte Marmorwände umfingen sie. Jedes Geräusch, das sie verursachten, hallte laut von den Wänden zurück. Es war kalt. Snow fröstelte. Rodensky spürte eine unangenehme Gänsehaut über seinen Rücken kriechen. Die Gefahr war hier drinnen körperlich zu spüren. Aus der Dunkelheit schienen sie von feindseligen Augen angestarrt zu werden.
Snow schloß auf. Er drängte sich an Rodensky heran und raunte ihm nervös zu: »Wo sollen wir nach Melissa suchen?« Seine Stimme war störend laut. Geisterhafte Geräusche erfüllten die marmorne Halle. Rodensky und Snow erreichten die Mitte. Sie schauten sich um. Die Dunkelheit, die sie umfing, schien unendlich zu sein.
Eine unsichtbare Hand bewegte die Eichentür.
Snow stockte das Blut in den Adern, als er die Tür mit einem lauten, endgültigen Knall zufallen hörte.
»Eingeschlossen?« fragte er Rodensky mit bebender Stimme. »Sind wir jetzt eingeschlossen?«
»Ich glaube ja.«
»O mein Gott. Und wo ist Melissa? Ich kann sie nirgendwo sehen.«
Ein Knistern und Flüstern huschte an den kalten Wänden entlang, lief im Kreis um die Männer herum, strich als kühler Lufthauch über ihre
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