GK198 - Der Stierdämon
auf.
Ich dachte an Vladek und freute mich darauf, ihn wiederzusehen. Wir hatten vereinbart, daß er mich vom Flugplatz abholen würde.
Die Maschine rollte aus.
Man fuhr die Gangway heran. Die freundliche Stewardeß verabschiedete sich von uns. Wir stolperten die Leichtmetallstufen hinunter. Ein Bus brachte uns zur Ankunftshalle. Fünfzehn Minuten später saß ich verstimmt auf einer Kunststoffbank, hatte zwei Koffer vor mir stehen, und kam mir vor wie bestellt und nicht abgeholt.
Eine Menge Leute gingen an mir vorbei. Vladek Rodensky war nicht dabei. Er mußte sich verspätet haben. Vielleicht steckte er irgendwo im dichten Verkehr von Teheran. Er war ortsunkundig. Ich entschuldigte sein Nicht-Erscheinen damit, daß er sich möglicherweise verfahren hatte.
Eine weitere Viertelstunde verging.
Langsam wurde ich zappelig. Ich hasse es, zu warten.
Da Vladek ansonsten überaus pünktlich ist, mußte ich annehmen, daß ihn irgendein Problem daran hinderte, mich abzuholen.
Ich wußte, wo er wohnte, und rief das INTO-Hotel an. Die Nummer war 6 45 46. »Geben Sie mir bitte Mr. Vladek Rodensky«, sagte ich, als sich eine angenehme Mädchenstimme gemeldet hatte.
»Einen Moment, Sir«, sagte das Mädchen in einwandfreiem Englisch. Ich wartete den Moment. Wieder warten. Ich vertrieb mir die Zeit damit; indem ich die Gesichter der an der Telefonzelle vorbeiziehenden Reisenden beobachtete.
Dann endlich, nach einer kleinen Ewigkeit: »Hallo?«
»Ja?«
»Mr. Rodensky ist nicht im Haus.«
»Danke«, sagte ich und hängte den Hörer verstimmt an den Haken. Dann schleppte ich meine beiden Koffer zum Taxi. Der dunkelhäutige Perser bedachte mich mit einer stummen Frage: Wohin? erkundigten sich seine Augen.
»174 Boulevard Elizabeth II.«, sagte ich. »INTO-Hotel.«
Der Fahrer nickte, als wäre er stumm. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz. Wir fuhren los.
Und ich machte mir Sorgen um Vladek.
***
Ich hatte bald heraus, daß einige Dinge schiefgelaufen waren. Man sagte mir nicht gern, was ich wissen wollte, da ich aber nicht locker ließ, erfuhr ich da und dort doch, was mich interessierte. Es waren zumeist nur kleine Mosaiksteinchen, die man bereit war, mir zu überlassen. Ich setzte sie mir selbst zusammen und kam danach zu der Erkenntnis, daß die Bande des geflügelten Stiers schon vor meiner Ankunft kaltschnäuzig zugeschlagen hatte. Eine Engländerin namens Melissa Ford war entführt worden. Vladek Rodensky und Hank Snow, Melissas Freund, waren hinter den Kidnappern hergefahren, und ein Mann namens Dr. Werner Krause aus Hamburg hatte die Polizei eingeschaltet, was man ihm im INTO-Hotel ziemlich krummgenommen hatte.
Ich saß drei Stunden nach meiner Ankunft mit Dr. Krause im Hotel-Restaurant. Der große blonde Mann mit den grünen Augen gefiel mir. Er machte auf mich einen zuverlässigen, aufrichtigen Eindruck. Ich hatte sofort Vertrauen zu ihm.
Wir hatten Fesendjan – Huhn mit Walnuß und Granatapfeltunke – gegessen. Nun tranken wir leichten Rotwein aus der Gegend von Schiraz. Krause bot mir eine Zigarette an. Ich schüttelte den Kopf. »Nichtraucher«, sagte ich lächelnd.
»Haben Sie niemals geraucht?« fragte der Arzt mich verwundert.
»Niemals. Abgesehen von den wenigen kläglichen Versuchen, kurz nachdem ich die Windeln abgelegt hatte.«
Er brannte sich ein Stäbchen an und sagte das, was ich schon so oft gehört hatte: daß ich zu beneiden wäre. Ich bat ihn, zu erzählen, was genau passiert war. Er sprach von Melissas Schrei, den er gehört hatte, erzählte davon, daß er Hank Snow informiert hatte. »Snow brach die Zimmertür auf. Wir sahen Kampfspuren. Miß Ford war nicht mehr da. Zwei Perser verfrachteten sie in einen bordeauxroten Wagen…«
»Rodensky und Snow folgten ihnen?«
»Ja. In einem cremefarbenen Mietauto.«
»Von wem gemietet?« erkundigte ich mich.
»Von Snow.«
»Was für eine Marke?«
»Ein Ford Pinto.«
»Sie riefen unverzüglich die Polizei an?«
»Ja. Ein Inspektor Aftabe Jamshid traf kurz darauf mit seinen Männern hier ein.« Krause drehte sein Glas zwischen den Händen. »Der Hoteldirektor war so wütend, daß er mich am liebsten auf die Straße gesetzt hätte. Zugegeben, die Polizisten benahmen sich wie Elefanten im Porzellanladen. Trotzdem war es richtig, die Polizei von der Entführung zu informieren.«
»Das steht außer Frage«, sagte ich. »Wie ging Inspektor Jamshid vor?«
»Alle Hotelgäste wurden vernommen. Danach nahmen sich die Beamten das Hotelpersonal
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