GK198 - Der Stierdämon
vor. Mehr als ich hatte keiner gesehen. Die meisten Leute erfuhren erst durch die Polizei von der Entführung, darüber hat sich der Hoteldirektor ja so maßlos aufgeregt.«
»Was hat Sie nach Teheran geführt, Dr. Krause?«
»Ein Ärztekongreß. Ich habe ein paar Tage Urlaub drangehängt, um ein wenig auszuspannen.«
»Wann geht’s zurück nach Deutschland?«
»Am kommenden Montag. Wenn ich Ihnen bei der Suche nach Ihrem verschwundenen Freund irgendwie behilflich sein kann…«
»Ich hoffe, daß ich damit allein zurande komme«, erwiderte ich mit einem knappen Lächeln.
»Was werden Sie tun, Mr. Ballard?«
»Ich werde gleich morgen früh Inspektor Jamshid aufsuchen.« Ich war der Ansicht, daß man jetzt das ganze Augenmerk auf den cremefarbenen Ford Pinto lenken mußte. Wenn man ihn fand, war man einen Schritt weiter. Möglicherweise stand der Wagen da, wo Vladek Rodensky und Hank Snow verschwunden waren.
»Was wollen Sie bei Jamshid?« fragte mich Dr. Krause verwundert.
»Ich werde ihn fragen, ob der Ford von Snow schon irgendwo aufgetaucht ist.«
Dr. Krause nickte. Er mochte ein guter Chirurg sein, aber davon, wie man einen Kriminalfall anpackte, hatte er keinen blassen Schimmer. Deshalb fand ich es zwar nett, daß er mir angeboten hatte, mir zu helfen, aber ich konnte dieses Angebot unmöglich annehmen, denn Krause wäre für mich nichts weiter als ein Klotz am Bein gewesen. Wir sprachen über seine Arbeit. Er leitete ein großes Hamburger Unfallkrankenhaus, war unverheiratet und schwärmte für Hinterglasmalerei. Als es über ihn nichts mehr zu erzählen gab, mußte ich von mir sprechen. Ich verlor kein Wort über Geister und Dämonen, sagte bloß, daß ich eine Privatdetektivlizenz besitze und in Ausübung meines Berufes viel in der Welt herumkomme. Wir tranken die Flasche Rotwein leer. Dann war es Zeit, zu Bett zu gehen.
Noch einmal sagte Krause: »Wenn ich Ihnen irgendwie in der Sache helfen kann, Mr. Ballard…«
Ich nickte. »Dann werde ich Sie das wissen lassen«, sagte ich. Damit war er zufrieden.
Wir betraten den Lift. Er stieg vor mir aus. »Gute Nacht, Mr. Ballard.«
»Gute Nacht, Dr. Krause.« Die Türen glitten zu. Der Lift fuhr weiter. Krause drehte den Zimmerschlüssel um den Finger. Vor dem Zimmer, aus dem Melissa Ford entführt worden war, blieb er kurz stehen. Vierundzwanzig Stunden lag das nun schon zurück. Oder mehr. Krause massierte seine müden Augen. Eine Entführung. Am hellichten Tag. Das war ja wie in Chicago. Der Arzt ging weiter. Er dachte an Melissa. Das Mädchen gefiel ihm sehr. Was war aus ihr geworden? Wo war sie gelandet? Aus welchem Grund war sie entführt worden? Steckte die Bande des geflügelten Stiers dahinter? Schaudernd erreichte Krause sein Zimmer. Er schloß die Tür auf. Der Stierdämon ging ihm mit einemmal nicht mehr aus dem Sinn. Wenn Rodensky und Snow es mit dem zu tun gekriegt hatten, dann hatte es wohl keinen Zweck mehr, nach ihnen zu suchen.
Werner Krause stieß die Tür auf und trat in sein Zimmer.
Im selben Augenblick prallte er mit einem heiseren Aufschrei entsetzt zurück…
***
Ich überlegte mir, ob ich mir noch einen Pernod aufs Zimmer kommen lassen sollte, war eher für ja als für nein und steuerte das Telefon in meinem Zimmer an, als der Apparat zu klingeln anfing. Mit einer fließenden Handbewegung holte ich den Hörer aus der Gabel. »Ballard!«
Am anderen Ende der Strippe war Krause, von dem ich mich soeben verabschiedet hatte. Der Deutsche war völlig verstört, er stammelte, brachte keinen vollständigen Satz heraus.
»Mr. Ballard… O Gott … Entsetzlich …«
»Dr. Krause, was ist passiert?« fragte ich eindringlich, damit er zu sich kam.
»Blut!« schrie er.
Mich überlief es eiskalt. »Krause, sind Sie verletzt?«
»Blut…«
»Sind Sie in Ihrem Zimmer?«
»Ja. Blut…«
»Ich komme!« rief ich und warf den Hörer auf die Gabel. So schnell ich konnte, stürmte ich aus meinem Zimmer. Ich raste die Treppe hinunter. Eine Minute später war ich bei Werner Krause. Der Mann lehnte neben der Tür an der Wand. Licht brannte im Raum. Krause hielt immer noch den Telefonhörer in der verkrampften Rechten. Er starrte mit schockgeweiteten Augen die gegenüberliegende Wand an. Ich folgte seinem entsetzten Blick.
Plötzlich war mir heiß und kalt zugleich.
An der Wand war ein blutrotes Gesicht. Die ganze Wand war davon bedeckt. Es war ein Gesicht, das lebte. Es glotzte uns feindselig an. Und das Verblüffendste an dieser
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