GK278 - Die Bestie
Ex-Dämon eilte in den Passagierraum.
Auch hier war keiner bei Bewußtsein.
»Verflucht und zugenäht!« polterte der Ex-Dämon. Er ahnte, daß auch er zu Boden gegangen wäre, wenn er ein Mensch gewesen wäre, doch da er keiner war, hatten ihm die tückischen Kräfte, die in diesem Jet auf eine geheimnisvolle Weise freigeworden waren, nichts anhaben können.
Eine Gangway wurde herangefahren.
Mr. Silver öffnete die Tür. Er bedeutete den Feuerwehrleuten, daß sie nicht gebraucht würden, und er winkte die Männer der Rettungsfahrzeuge hastig in die Maschine.
Nach und nach wurden die Ohnmächtigen auf Bahren gelegt und aus dem Jet getragen. Mr. Silver verließ die Maschine zuletzt. Er hatte ein lästiges Würgen im Hals.
Und er sorgte sich um die Opfer des rätselhaften Bazillus…
Während die Ohnmächtigen in der Quarantänestation des Momba Hospitals untergebracht wurden, bat Kommissar Samai Mr. Silver zu einem kurzen Gespräch in sein Büro.
Der Ex-Dämon erzählte dem Polizeibeamten die haarsträubendste Geschichte, die dieser jemals gehört hatte. Abschließend meinte Mr. Silver: »Meiner Ansicht nach hat es sich um einen Racheakt gehandelt.«
»Und wen machen Sie dafür verantwortlich?« wollte der Kommissar wissen. Er war mittelgroß, hatte die olivfarbene Haut aller Inder und ernste, melancholische Augen.
»Da fällt mir nur eine Antwort ein«, sagte der Hüne mit den Silberhaaren.
»Welche?«
»Die Kaiman-Bande. Wir hatten mit ihr in Mombasa zu tun. Es gelang uns, zu fliehen. Ein Teil der Bande wurde von dem Dämon Cynagok ausgelöscht. Vermutlich schiebt man uns dafür die Schuld in die Schuhe. Ich könnte mir vorstellen, daß die Kaiman-Gang daran interessiert ist, uns für das, was ihrem Anführer widerfahren ist, zur Verantwortung zu ziehen.«
Da Kommissar Samai sich nicht gut genug in Mr. Silvers Geschichte auskannte, knüpfte der Ex-Dämon eine kleine Erklärung daran. Er sprach davon, daß sie von den Kaimanen beinahe zerrissen worden wären, wenn nicht im allerletzten Moment Cynagok aufgetaucht wäre und die Bestien mit magischen Granaten beseitigt hätte.
Kommissar Samai hörte mit großen Augen zu. Er lächelte verlegen, als Mr. Silver geendet hatte. »Ich muß gestehen, eine verrücktere Geschichte habe ich in meinem Leben noch nicht gehört.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Dennoch ist sie wahr.«
»Ich glaube sie Ihnen ja, aber was schreibe ich ins Protokoll? Meine Vorgesetzten würden mich auslachen, wenn ich einen Bericht liefern würde, in dem ich mich auf Dämonen berufe.«
Mr. Silver seufzte. »Manchmal ist es schwer, die Wahrheit glaubhaft zu machen. Hin und wieder kommt eine Lüge besser an.«
»Möchten Sie mir raten, nicht die Wahrheit ins Protokoll zu schreiben?«
»Es ist Ihr Job, Kommissar. Da kann ich Ihnen nicht dreinreden. Sie werden eine glaubhafte Formulierung finden, davon bin ich überzeugt. Darf ich jetzt gehen? Meine Freunde liegen im Krankenhaus. Mein Platz ist an ihrer Seite.«
»Sie wurden in der Quarantänestation untergebracht. Niemand darf zu ihnen, solange nicht festgestellt wurde, was ihnen fehlt.«
»Mir kann nichts passieren.«
»Wieso nicht?«
»Haben Sie mich noch nicht genau angesehen, Kommissar?«
»Doch. Doch, natürlich, und ich muß gestehen, einen Menschen wie Sie habe ich noch nicht gesehen.«
»Ich bin kein Mensch«, sagte Mr. Silver. »Deshalb blieb ich auch als einziger Passagier bei Bewußtsein.«
Kommissar Samai schluckte. »Setzen Sie allen Leuten diesen starken Tobak vor, Mr. Silver?«
»Ich liebe die Wahrheit.«
»Was kann man sein, wenn man kein Mensch ist, aber beinahe so wie ein Mensch aussieht?« fragte der Kommissar neugierig. Sein Büro war ein kleiner Raum mit nur einem Fenster. In den Regalen standen Akten. Auf dem Schreibtisch türmte sich der übliche Papierkram, auf den sich Samai mit beiden Ellbogen stützte, während er sein Gesicht in die Handflächen legte.
Mr. Silver machte kein Hehl aus seiner Vergangenheit. Es fiel dem Kommissar nicht leicht, ihm auch das zu glauben. Aber der Hüne brachte seinen Lebenslauf mit so viel Ernst vor, daß er alle Zweifel, die Story könnte erfunden sein, auf Anhieb zerstreute.
Samai erhob sich ächzend. »Ich denke, damit werde ich im Protokoll nicht durchkommen, Mr. Silver. Vielleicht sollte ich mir überlegen, ob es nicht vernünftiger wäre, eine Teilwahrheit zu Papier zu bringen, mit der auch Leute, die nicht an Geister und Dämonen glauben, etwas anfangen
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