GK317 - Das zweite Leben der Marsha C.
wieder mit kompletter Mannschaft unterwegs. Vicky Bonney hatte es sich nicht nehmen lassen, die Reise nach New York mitzumachen, obwohl ich sie darauf aufmerksam gemacht hatte, daß es in diesem Hexenkessel für uns alle unter Umständen sehr gefährlich werden konnte.
Sie wollte trotzdem dabeisein.
Da wir die Seychellen auf unbestimmte Zeit zurückgestellt hatten, wollte Vicky wenigstens in New York in meiner Nähe sein.
Da es mir ähnlich ging, hatte ich Verständnis für diesen Wunsch und nahm sie mit. Nicht jedoch ohne die Absicht, sie von allem fernzuhalten, was für sie gefährlich werden konnte.
Ich saß neben Frank und unterhielt mich mit ihm, während Mr. Silver im Fond des Wagens neben Vicky hockte und vor sich hindöste.
Plötzlich schreckte der Ex-Dämon hoch. »Vorsicht, Frank!« brüllte er. »Ein Wagen von links!«
Wir konnten den Wagen nicht sehen. Mr. Silvers hochempfindliche Antenne für drohende Gefahren hatte das Fahrzeug jedoch zum Glück rechtzeitig ausgemacht, sonst wäre es zu einem Zusammenstoß gekommen, bei dem die Fetzen geflogen wären.
Frank Esslin wußte um die übernatürlichen Fähigkeiten unseres Freundes. Er sah zwar noch keinen Wagen, aber er ließ sich nicht auf irgendwelche Debatten ein, sondern stemmte den Fuß augenblicklich auf die Bremse.
Die blockierten Pneus schrillten.
Franks Wagen stand auf kürzeste Distanz.
Und dann kam der Wagen, den Mr. Silver rechtzeitig geortet hatte, links aus einer schmalen Straße herausgeschossen.
Im Höllentempo. Wie ein Torpedo, der das Rohr verläßt, aus dem er abgefeuert wurde. Das Fahrzeug raste quer über die Fahrbahn. Wenn Frank Esslin einen Moment später reagiert hätte, hätte uns die Karre, in der zwei Gangster saßen, die vor den Bullen auf der Flucht waren, mit voller Wucht gerammt.
Das mindeste, was uns dabei zugestoßen wäre, wäre ein mehrtägiger Krankenhausaufenthalt gewesen. Vielleicht eingegipst bis zum Kragen hinauf.
Das Heck des Gangsterfahrzeugs brach aus. Der Fahrer fing den Wagen aber sofort wieder ab und raste weiter. Mit heulender Sirene katapultierte sich nun ein Streifenwagen in unser Gesichtsfeld.
Wenige Sekunden später war der Spuk vorbei.
Frank Esslin schaute in den Rückspiegel, bevor er seinen Wagen wieder in Bewegung setzte, und sagte: »Danke, Silver.«
Der Hüne mit den Silberhaaren grinste. »Keine Ursache. Geschah ja auch in meinem eigenen Interesse.« Er sank wieder tiefer in die Polster und döste weiter vor sich hin, als wäre nichts geschehen.
So war er. Niemals überheblich. Und er bildete sich nichts auf seine übernatürlichen Fähigkeiten ein. Er verfügte über sie, und er benützte sie - zu seinem und zu unserem Schutz.
Zwanzig Minuten nach diesem Zwischenfall ließ Frank Esslin seinen Wagen vor seinem im Tudor-Stil erbauten Haus ausrollen.
»Da wären wir«, sagte er.
Wir stiegen aus. New York hat uns wieder! dachte ich, während ich meine Glieder streckte. Und ich fragte mich, was dieser Hexenkessel diesmal für uns bereithielt.
Es würde nichts Gutes sein. Soviel stand fest.
***
Obwohl er eigentlich keine Ahnung davon haben konnte, wußte Clark Kenna doch, daß auch David Atkins nicht mehr lebte.
Er wußte es einfach. Es war für ihn eine unumstößliche Tatsache. Irgendwann war sie plötzlich in seinem Kopf aufgetaucht.
Und noch etwas hatte sich in seinen Kopf eingenistet. Der Satz: Du bist der nächste! Davon wurde er langsam verrückt.
Wie ein gereizter Tiger rannte er in seiner Wohnung hin und her. Er rauchte eine Zigarette nach der anderen, ohne sich beruhigen zu können.
Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Bald hielt er es in seinen vier Wänden nicht mehr aus. Er hatte das Gefühl, jeden Moment würde ihm die Decke auf den Kopf fallen.
Atembeschwerden bekam der hagere Mann, der den Unglückswagen gelenkt hatte, in seinem Apartment. Er mußte raus. Auf der Stelle.
Mit aufgewühlten Nerven hastete er aus der Wohnung. Er fuhr mit dem Lift zur Tiefgarage hinunter, setzte sich in seinen schiefergrauen Pontiac und startete die Maschine.
Es war ihm in höchstem Maße unangenehm, schon wieder am Steuer zu sitzen. Mit dem Fahren war für ihn eine verdammt schlechte Erinnerung verbanden. Aber er war mit dem eigenen Wagen unabhängig.
Darauf kam es ihm an.
Unruhig steuerte er den Pontiac aus der Garage. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit gingen ihm nicht aus dem Kopf.
Er bog in die schmale Straße ein, in der er wohnte, fuhr diese entlang, ohne
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