GK317 - Das zweite Leben der Marsha C.
Es war so, und sie mußte irgendwie damit fertig werden.
Endlich wurde ihr Flug aufgerufen.
Sie verließ das Restaurant, nachdem sie das Geld für den Highball auf den Tisch gelegt hatte.
Da es weltweit auf der Terroristenszene immer wieder Anschläge auf Flugzeuge gab, wurden sämtliche Passagiere gründlich durchsucht.
Sensoren und Beamte tasteten die Leute ab. Metallgegenstände, die die Personen bei sich trugen, wurden piepsend signalisiert und waren vorzuweisen.
Außerdem wurden an diesem Abend zusätzliche Stichproben durchgeführt: Leibesvisitation.
Ausgerechnet Gloria Devon wurde von einer Beamtin herausgepickt. Vermutlich deshalb, weil sie einen so nervösen Eindruck machte.
Gloria war das in höchstem Maße unangenehm. Aber sie fügte sich widerspruchslos, um sich nicht verdächtig zu machen.
Schließlich wollte sie den Flug mitmachen und nicht wegen ihres seltsamen Benehmens hier eine Weile zurückgehalten werden, bis sich herausgestellt hatte, daß sie »sauber« im Sinne der Vorschriften war.
Die Beamtin sagte ihr, in welche Kabine sie sich begeben solle. »Ich komme gleich nach«, versprach sie.
Gloria Devon betrat die Kabine. Sie hatte keine Ahnung, wie die Leibesvisitation vor sich gehen würde, legte vorläufig nur die Jacke ihres Reisekostüms ab und öffnete ein paar Knöpfe ihrer Bluse.
So wartete sie auf die Sicherheitsbeamtin.
Sie kam sich in der schmalen Kabine beengt vor. Sie hatte das Gefühl, daß die Luft stickig war, und sie rang nach Atem.
Schritte.
Die Beamtin kam.
Gloria Devon seufzte. Was man sich heutzutage alles bieten lassen muß, wenn man fliegen möchte, dachte sie.
Die Türklinke bewegte sich nach unten.
Gloria biß sich nervös auf die Unterlippe. Die Beamtin mußte sich beeilen, sonst verpaßte sie, Gloria, noch ihr Flugzeug.
Also, wenn das passieren würde, dann würde sie ganz schön Radau machen. Das nahm Gloria sich vor.
Die Tür öffnete sich.
Im selben Augenblick stockte Gloria Devon der Atem. Sie begriff, daß sie in der Falle saß.
Durch die Tür trat nicht die Sicherheitsbeamtin, die die Leibesvisitation vornehmen wollte, sondern…
Marsha Caan!
Gloria Devon glaubte in diesem entsetzlichen Moment, der Schlag würde sie treffen.
***
Seit einer Stunde befand sich Glenn Gibbon bereits in unserer Obhut. Wir bewachten den Mann wie ein Juwel.
Er durfte keinen Schritt ohne uns tun. Wir saßen in Frank Esslins Living-room beisammen. Und Mr. Silver versuchte auf telepathischem Wege herauszufinden, wo Marsha Caan sich im Augenblick herumtrieb.
Früher hatte der Ex-Dämon über ein intaktes Dämonenradar verfügt, das äußerst wertvoll für uns gewesen war.
Wir hatten niemals große Mühe gehabt, Wesen aus dem Schattenreich aufzuspüren, selbst wenn sie sich noch so gut getarnt hatten.
Aber je länger Mr. Silver unter uns Menschen weilte, desto mehr bauten seine einstigen Fähigkeiten ab, und heute besann er sich darauf zumeist nur noch in Streßsituationen.
Dennoch konnte ich meinen Freund und Kampfgefährten als meine gefährlichste Waffe im Kampf gegen die Mächte der Finsternis bezeichnen.
Als ich ihn aus dem zwölften Jahrhundert, in das es mich verschlagen hatte, ins zwañzigste Jahrhundert mitbrachte, mußte ich ihm zuvor das Leben retten, denn er war von seiner Dämonensippe zum Tode verurteilt worden, weil er sich geweigert hatte, nach den Gesetzen der Hölle zu leben.
Seither hatte sich Mr. Silver schon oft für diese eine Lebensrettung revanchiert.
Mehr als einmal hatte er in allerletzter Minute das sichere Ende von mir abgewendet.
Ich betrachtete sein Gesicht. Er saß schweigend da, beteiligte sich nicht an unserem Gespräch, stierte vor sich hin und konzentrierte sich auf Marsha Caan.
Es wäre sehr wichtig für uns gewesen zu wissen, wo sich der Todesengel zur Zeit aufhielt!
Aber würde es dem Ex-Dämon gelingen, den Geist der Rächerin zu orten? Manchmal hatte Mr. Silver so etwas wie einen Lichtblick.
Hoffentlich auch diesmal.
Frank Esslin blickte auf seine Uhr. »In einer Stunde startet Gloria Devons Flugzeug. Dann sind wir diese Sorge los.«
Vicky meinte: »Jemand hätte bei ihr bleiben sollen, bis sie das Flugzeug besteigt.«
»Das wollte sie nicht«, sagte Frank.
»Hoffentlich kommt sie gut davon«, sagte Glenn Gibbon leise. Er schob seine Hornbrille mit dem Zeigefinger nach oben.
Mir kam vor, als befände sich Mr. Silver mit einemmal in Trance. Gespannt beobachtete ich ihn.
Sein Geist schien Marsha Caan aufgespürt zu
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