GK420 - Hexenterror

Ferne tauchte Darwin auf.
    Ein Alptraum? Hatte Kenny Koba mit offenen Augen einen schrecklichen Alptraum erlebt?
    Vielleicht hätte er das angenommen, wenn nicht der abgerissene Sicherheitsgurt und der süßliche Geschmack von Blut in seinem Mund gewesen wären, wenn sein Gesicht nicht gebrannt und die Kehle nicht geschmerzt hätte. Nein, es war kein Alptraum gewesen, sondern furchtbare Realität. Er war diesen Schreckenswesen tatsächlich begegnet.
    Wie so etwas möglich war, konnte er sich nicht erklären, aber daß es Wirklichkeit gewesen war, damit mußte er sich abfinden.
    ***
    Trotz Mr. Silvers schlimmer Ahnung passierte vorerst nichts. Zwei Tage vergingen. Tage, an denen wir von Tucker Peckinpah kaum etwas sahen. Er war ständig unterwegs, besichtigte die Tiefkühlanlagen der Stadt, sprach mit Großhändlern und Viehexporteuren, aß mit diesem und jenem und ließ sich nur nachts im Hotel blicken - für wenige Stunden.
    Am Abend des zweiten Tages hatte er dann für uns Zeit. Er lud uns zu einem Essen in einem noblen Restaurant ein. »Haben Sie schon viel von Darwin gesehen?« erkundigte er sich zwischen dem ersten und dem zweiten Gang.
    »Architektonisch hat die Stadt nicht allzuviel Sehenswertes zu bieten«, sagte ich.
    »Da haben Sie allerdings recht«, pflichtete Tucker Peckinpah mir bei. »Sie sollten sich mehr von der Umgebung ansehen.«
    »Das ist für morgen geplant«, bemerkte Mr. Silver.
    »Wie gehen die Geschäfte?« erkundigte ich mich.
    »Oh, die Sache läßt sich äußerst zufriedenstellend an. Ich glaube, hier läßt sich einiges verdienen.«
    Der zweite Gang wurde serviert. Es gab köstliche Lammsteaks. Mr. Silver langte tüchtig zu. Es schien, als hätte er seit Wochen keine feste Nahrung mehr zu sich genommen.
    Dabei hätte es ihm nichts ausgemacht, ebensolange zu fasten. Er war kein Mensch und brauchte diese Kalorienzufuhr nicht, um bei Kräften zu bleiben. Er aß aus reinem Vergnügen. Wovon seine übernatürlichen Kräfte gespeist wurden, wußte ich nicht.
    Ich erwähnte die schlimme Ahnung unseres Freundes mit den Silberhaaren noch nicht, um Tucker Peckinpah nicht zu beunruhigen. Aber später würde ich wohl darüber reden müssen, damit es den Industriellen nicht unvorbereitet traf, falls etwas Spektakuläres geschehen sollte.
    Nach dem Essen zündete sich Peckinpah die unvermeidliche Zigarre an. Mir als Nichtraucher ist es unverständlich, wie man sich so zum Sklaven des Nikotins machen kann.
    Nachdem der Industrielle mit der Glutkrone seiner Zigarre zufrieden war, sah er uns an und fragte: »Hat es geschmeckt?«
    »Es war hervorragend«, antworteten Mr. Silver und ich wie aus einem Munde.
    »Sie werden heute abend noch einen äußerst interessanten Mann kennenlernen. Ich habe schon mal über ihn gesprochen. Sein Name ist Kenny Koba.«
    »Die fliegende Legende«, sagte ich.
    Und Mr. Silver sagte: »Der fliegende Teufel.«
    Peckinpha nickte. »Genau der. Wir treffen ihn in der Bar unseres Hotels. Ich lud ihn zum Essen ein, aber er hatte zu tun.«
    »Er wird uns den australischen Busch von oben zeigen, nicht wahr?« sagte ich.
    »Ja. Wir müssen uns nur noch über den Termin einig werden. Kenny Koba ist ein vielbeschäftigter Mann. Immer unterwegs. Und kaum mal zu Fuß.«
    Wir gossen noch einen schönen Drink auf das gute Essen und verließen dann das Restaurant. Eine halbe Stunde später machte uns Tucker Peckinpah mit Mr. Kenny Koba bekannt.
    Zunächst wurden die üblichen Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht. Dann sprachen wir über Darwin und machten der Heimatstadt des Piloten Komplimente. Koba gefiel uns auf Anhieb. Ein offener, ehrlicher Mann mit gutmütigen Augen. Ein Mensch, dessen Hilfsbereitschaft im Lande beispielgebend war. Ein Mann, dem sein Ruhm nicht zu Kopf gestiegen war, sondern der nach wie vor auf dem Teppich blieb. Prinzipiell hatte er nichts dagegen, uns die nähere und weitere Umgebung von Darwin zu zeigen.
    Er wußte nur noch nicht, wann er uns unterbringen konnte. Schließlich stellte er uns drei Termine zur Auswahl, und Tucker Peckinpah entschied sich für einen.
    »Okay«, sagte er. »Dann machen wir das gleich fest. Ich stehe Ihnen übermorgen den ganzen Tag zur Verfügung.«
    »Fein«, sagte Peckinpha.
    Der Industrielle sprach über die beeindruckende Weite des Landes und über die riesigen Rinderherden. Irgendwann wurde das Thema gewechselt, und es kam zur Sprache, welchen außergewöhnlichen Job Mr. Silver und ich ausübten.
    Der Pilot blickte mich erstaunt an.