GK442 - Der Drachenmann
zu.
Die Krallen zerfetzten das Jackett des Opfers. Sie zerrissen auch dessen Hemd und schlitzten die Haut auf. Palance stieß einen gepeinigten Schrei aus. Er taumelte zurück.
»Zu alledem wäre es nicht gekommen, wenn Sie mich nicht so weit getrieben hätten, Leigh!« brüllte Norman Palance. »Sie sind an allem schuld. Sie allein!«
Die Bestie schlug erneut zu. Schwer getroffen brach Norman Palance zusammen. Der Drache stürzte sich fauchend auf ihn. Er richtete Palance noch schrecklicher zu als Lorne Lupino…
***
Loretta Barrymore saß mit Lockenwicklern vor dem Fernsehapparat und strickte. Sie war eine magere Frau, hatte eine lange Nase und einen verkniffenen Mund. Man hätte sie für bissig halten können, aber das war sie nicht. Im Gegenteil. Sie war ein herzensguter Mensch, eine Frau, wie sie sich ein Mann nur wünschen konnte. Eine echte Partnerin fürs Leben. Fleißig, klug und verträglich.
Barney Barrymore hatte mit ihr einen guten Griff getan, obwohl ihm jedermann von einer Heirat abgeraten hatte. Seine Freunde hatten gemeint, Loretta wäre zuwenig attraktiv für ihn, doch sie kannten die inneren Qualitäten nicht, die diese Frau besaß, und Barney Barrymore hatte es noch keine Sekunde bereut, mit Loretta den Bund der Ehe geschlossen zu haben.
»Wie war’s heute im Büro?« erkundigte sich Loretta, als auf dem Bildschirm das Insert »Bitte entschuldigen Sie die Störung« erschien und Barney Barrymore ärgerlich meckerte.
»So wie immer«, antwortete er. »Beim Fernsehen scheinen lauter Idioten unterzukommen. Das scheint eine Voraussetzung zu sein, damit man überhaupt aufgenommen wird. In dieser Woche hatten wir schon vier Störungen.«
»Wie geht es Hu Jayston?« fragte Loretta ruhig.
Barrymore stand auf und holte sich aus dem Kühlschrank in der Küche eine Dose Kräuterbier. »Hu geht morgen ins Krankenhaus.«
»Wird er nun doch operiert?«
»Es hat keinen Sinn mehr, den doppelseitigen Leistenbruch noch weiter herumzuschleppen. Einmal muß es sein. Der Chef meinte, jetzt wäre die Zeit gerade günstig. Es ist nicht viel zu tun, Hu würde nicht sonderlich fehlen.«
»Der arme Hu. Er ist ein netter Kerl.«
»Er hat fürchterliche Angst vor dem Operieren.«
»Hättest du die nicht?«
»Ich weiß nicht. Wahrscheinlich schon…« Barney Barrymore stutzte plötzlich. Das Fernsehen setzte sein Programm immer noch nicht fort. Leise Musik wurde eingespielt, damit sich die wartenden Zuschauer nicht zu sehr langweilten.
»Hast du was?« fragte Loretta Barrymore ihren Mann.
Seine Brauen zogen sich zusammen. Er war ein großer, grobknochiger Mann mit schaufelblattgroßen Händen. Niemand sah ihm an, wie zartfühlend er war. »Da schreit doch jemand«, sagte er, eilte zum Fenster und öffnete es. Erschrocken stellte er fest: »Das kommt aus Norman Palances Haus! Mein Gott, was passiert dem Mann denn?«
Barrymore stellte die Bierdose aufgeregt ab. Loretta legte ihr Strickzeug weg und stand auf. Er wollte losstürmen. Sie trat ihm in den Weg. »Was hast du vor, Barney?«
»Ich muß zu Palance rüber. Er braucht Hilfe. Man will ihn anscheinend umbringen.«
Loretta hatte verständliche Angst um ihren Mann, doch sie wußte, daß sie ihn nicht zurückhalten konnte. Sie trat zur Seite. Er hetzte los.
»Sei vorsichtig!« rief sie ihm nach. Augenblicke später fiel hinter ihm die Haustür zu. Loretta eilte zum Fenster. Sie blickte hinaus, sah ihren Mann zum Nachbarhaus laufen. Sekunden später verschwand er hinter einer hohen Hecke. Das Fernsehprogramm wurde fortgesetzt. Loretta drehte den Apparat ab. Sie wollte sich jetzt nicht mehr unterhalten. Mit ihren Gedanken weilte sie bei Barney, und sie hoffte, ihn wohlbehalten zurückzukriegen.
Barney Barrymore rannte auf die Haustür zu. Seine Pranke fiel auf die Klinke, mit der Schulter rammte er die Tür zur Seite.
»Mr. Palance!« rief er. »Mr. Palance!«
Jetzt erst fiel ihm auf, daß Narmon Palance nicht mehr schrie.
»Oh mein Gott!« preßte er heiser hervor. Das hatte bestimmt nichts Gutes zu bedeuten. Vielleicht lebte Norman Palance nicht mehr.
Barney Barrymore ballte die Hände zu Fäusten. Verdammt, wer Norman Palance ermordet hatte, dem würde er den Schädel einschlagen. Oder wenigstens so sehr verprügeln, daß er ins Krankenhaus mußte.
Zornig rannte Barrymore auf die Living-room-Tür zu.
Er rammte auch sie beiseite.
Und dann sah er den dicken Hausherrn. Norman Palance war fast nicht wiederzuerkennen. Sein Gesicht war verwüstet.
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