GK442 - Der Drachenmann
Teilweise sah Barney Barrymore den blanken Knochen schimmern. Die Haut, die noch vorhanden war, sah aus wie gelbes Pergament.
Für den zartbesaiteten Mann war das ein furchtbarer Schock, der ihn völlig aus dem Gleichgewicht warf. Das nackte Grauen stürzte sich auf ihn. Er vernahm ein Geräusch hinter sich und drehte sich langsam um. Ein neuerlicher Schock traf ihn. Schwerer als der erste - und verwirrte seinen Geist…
Loretta stand indessen zu Hause am Fenster auf glühenden Kohlen. Sie kaute an ihrem Daumennagel, wußte nicht, was sie tun sollte.
Nichts konnte sie tun. Nur warten. Das tat sie mit vibrierenden Nerven.
Bei den Büschen tauchte Barney auf. Kreidebleich. Mit hängenden Schultern. Völlig apathisch.
»Oh, Jesus!« schrie Loretta Barrymore erschrocken auf.
Sie wandte sich um. Barney kam zur Tür herein. Verstört. Nicht ansprechbar. Ein irres Flackern war in seinen großen dunklen Augen. Loretta eilte auf ihn zu.
»Barney, was hast du? Barney, was ist mit dir? Was ist in Norman Palances Haus geschehen?«
Er antwortete nicht, schaute sie an, als ob er sie nicht kennen würde, blickte eigentlich durch sie hindurch.
»Großer Gott, Barney, so sag doch etwas!« bedrängte Loretta ihn.
Er ging an ihr vorbei, als wäre sie nicht da, und setzte sich. Tränen traten in Lorettas Augen. Sie fuhr sich mit der Hand nervös über das Gesicht. Himmel, was mach’ ich bloß? fragte sie sich verstört. Aufgeregt eilte sie zum Telefon und rief den Hausarzt an. Der Doktor wohnte in derselben Straße. Er versprach, sofort zu kommen. Fünf Minuten später war Dr. Henry Bickford in Pantoffeln zur Stelle. Ein großer Mann mit rötlich-blondem Haar und rosigen Wangen. Er stellte seine Arzttasche ab und untersuchte Barney Barrymore, der davon nichts merkte.
»Barney ist verrückt geworden, nicht wahr, Doktor? Barney hat den Verstand verloren!« Loretta Barrymore schlug die Hände vors Gesicht und weinte laut.
»Wie ist es dazu gekommen?« erkundigte sich Bickford, während er eine Spritze zurechtmachte. »Er sieht aus, als habe er einen furchtbaren Schock erlitten.«
»Ich weiß nicht, wie’s passiert ist«, antwortete Loretta unter Tränen. »Nebenan hat Norman Palance ganz schrecklich geschrien. Barney wollte ihm zu Hilfe eilen, und als er zurückkam, war er so.«
Henry Bickford gab Barrymore die Injektion. »Vielleicht stellt ihn das wieder auf die Beine«, sagte er. »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick. Ich sehe mal nach Mr. Palance.«
Der Arzt verließ das Haus der Barrymores. Loretta stand schluchzend neben ihrem Mann und streichelte immer wieder seine Wangen. Er spürte es nicht. Er nahm an nichts mehr teil, was um ihn herum vorging. Etwas hatte in seinem Kopf ausgehakt.
»Barney, o Gott, Barney!« jammerte die Frau.
Henry Bickford langte drüben an. Die Eingangstür stand sperrangelweit offen. Der Arzt trat ein. Wen Barney Barrymore einen so schlimmen Schock davongetragen hatte, mußte er, Bickford, sich auf einiges gefaßt machen. Er rechnete nicht damit, daß Norman Palance noch lebte. Irgend etwas Schreckliches mußte mit ihm passiert sein.
Gespannt durchschritt Dr. Bickford das Haus.
Als er im Living-room die Leiche des Limonadenfabrikanten sah, mußte er sich einen Augenblick am Tisch festhalten. Er machte gleich wieder kehrt und eilte zum Haus der Barrymores zurück.
Barney Barrymores Zustand war unverändert.
Lorettas zitternde Hand ruhte auf seinem Haupt. Sie blickte Dr. Bickford fragend an. »Was ist drüben passiert, Doktor?«
»Norman Palance ist tot.«
»Tot?«
»Ermordet. Ich muß die Polizei verständigen. Darf ich Ihr Telefon…«
»Selbstverständlich.«
»Danke.« Henry Bickford wählte den Polizeinotruf, nannte seinen Namen und meldete den Mord an Norman Palance. Danach sah er sich Barney Barrymore noch einmal an. Er schüttelte besorgt den Kopf. »Das darf man nicht anstehen lassen. Man muß sofort mit der Behandlung beginnen. Wenn sich der Schock erst mal festfrißt, ist zu befürchten…« Er sprach nicht weiter. Loretta wußte trotzdem, was er meinte, und sie fing wieder an zu weinen. »Ich brauche Ihr Einverständnis, ihn in eine Klinik einweisen zu dürfen, Mrs. Barrymore.«
Sie nickte. »Wenn es für Barney das Beste ist.«
»Ich bringe ihn gleich selbst hin. In ein paar Tagen haben Sie Ihren Mann gesund wieder.«
»Glauben Sie das ehrlich?«
»Ja«, sagte er. Und - ich hoffe es, dachte er.
***
Mein Autotelefon schnarrte. Ich ob ab. »Ballard.«
Am
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