GK442 - Der Drachenmann
gefiel mir nicht. Was hatte ihn veranlaßt, die Partei des Teufels zu ergreifen? Ich wies auf den Patienten, schaute Glenn Helmond an und fragte: »Darf ich?«
Der Chefarzt nickte.
Ich trat an das Krankenbett. Barney Barrymore hatte die Augen geschlossen. Ich beugte mich über ihn und hörte seinen regelmäßigen Atem.
»Mr. Barrymore.«
Er reagierte nicht.
»Mr. Barrymore«, sagte ich eindringlicher.
Seine Lider zuckten.
»Mr. Barrymore, hören Sie mich? Mein Name ist Tony Ballard. Ich möchte mich mit Ihnen über den Drachen unterhalten, den Sie in Norman Palances Haus gesehen haben.«
Ich weiß nicht, was ihn veranlaßte, so schnell die Augen zu öffnen. War es mein Name - den er vermutlich noch nie gehört hatte - oder die Erwähnung des Drachen? Jedenfalls riß er die Augen auf, drehte den Kopf und starrte mich so an, daß es mir kalt über den Rücken lief.
Ich versuchte ihn mit einem Lächeln für mich zu gewinnen, aber es kam bei ihm nicht an. Blanke Feindseligkeit war in seinen dunklen Augen. Er hob den Kopf.
»Ballard«, flüsterte er. Das Sprechen schien ihm schwerzufallen. »Tony Ballard, der Dämonenhasser…«
Woher hatte er Kenntnis davon, daß ich sämtliche Dämonen wie die Pest haßte? Was war mit ihm los?
Er schnellte hoch, schleuderte die Decke weg, in seinen Augen brannte eine unheilvolle Glut. »Ballard, du Feind der Hölle, ich werde dich vernichten!«
Mit diesen Worten stürzte er sich auf mich!
***
Vicky Bonney legte das Manuskript beiseite, an dem sie gearbeitet hatte. Die blonde blauäugige Schriftstellerin seufzte und dehnte müde die Glieder. Seit sie mit ihren Büchern weltweit Erfolg hatte - sie wurden in acht Sprachen übersetzt -, drängte sich die Arbeit oft so sehr zusammen, daß an Freizeit nicht viel übrigblieb. Ein Glück nur, daß Vicky gern arbeitete. Es gefiel ihr, erfolgreich zu sein. Sie liebte es, ihre Bücher auf den Bestsellerlisten herumturnen zu sehen, und sie war stolz darauf, daß eines ihrer Werke von Hollywood verfilmt worden war. Der Streifen war überall auf der Welt ein Kassenschlager geworden. Ein zweiter Film befand sich bereits in Vorbereitung.
Erstaunlich war, daß Vicky den Stoff ihrer Bücher nicht zu erfinden brauchte. Sie schrieb einfach nieder, was Tony Ballard erlebte. Allerdings, wie sie das tat, zeigte von dramaturgischen Kenntnissen, Einfühlungsvermögen und einer überdurchschnittlichen Begabung, Spannung zu erzeugen. Vicky wußte ihr Publikum von der ersten bis zur letzten Zeile zu fesseln. Darin lag das Geheimnis ihres Erfolges.
Müde erhob sie sich, drehte die Schreibtischlampe ab und begab sich in den Living-room, in dem sich Roxane, die Hexe aus dem Jenseits, und Mr. Silver aufhielten.
Die beiden unterbrachen ihre Unterhaltung, als Vicky eintrat.
»Laßt euch nicht stören«, sagte die Schriftstellerin.
»Du störst doch nicht«, erwiderte die schwarzhaarige abtrünnige Hexe.
»Du siehst abgespannt aus«, bemerkte Mr. Silver. »Deine Batterie gehört wieder einmal aufgeladen.«
Vicky Bonney nickte. »Dazu habe ich heute nacht Zeit. Ist Tony immer noch nicht nach Hause gekommen?«
»Nein, er treibt sich noch in der Weltgeschichte herum«, sagte Mr. Silver. Er rümpfte die Nase. »Irgendwie gefällt es mir nicht, daß er allein ist.«
Vicky schaute ihn sofort besorgt an. »Vermutest du, daß ihm Gefahr droht?«
»Wenn ich das genau wüßte, würde ich nicht mehr hier sitzen, das kannst du mir glauben. Aber ich weiß es nicht. Ich habe nur kein gutes Gefühl, das ist alles.«
***
Ehe ich es verhindern konnte, traf mich Barney Barrymores Faust. Der Schlag warf mich gegen die Wand. Sofort sprang der Pfleger hinzu. Er packte den Patienten mit oft geübtem Griff. Aber Barney Barrymore war ungemein kräftig. Er schüttelte den Pfleger ab, und seine blutunterlaufenen Augen richteten sich sofort wieder zornig auf mich.
»Du bist unser Feind, Gallard!« brüllte er.
Dr. Hellmond versuchte dem Pfleger zu helfen. Gemeinsam wollten sie den Patienten niederringen. Sie schafften es nicht. Barrymore trat Glenn Helmond gegen das Schienbein und rammte dem Pfleger die Faust so fest gegen das Kinn, daß der Mann groggy zu Boden ging.
Unser Feind! hatte Barrymore gebrüllt. Fühlte er sich auf einmal der Hölle zugehörig? Niemand anderes Feind war ich. Wie kam er dazu, sich auf die Seite des Bösen zu stellen? Was hatte ihn veranlaßt, das zu tun? War schwarze Magie im Spiel?
Er griff mich erneut an.
Seine Finger krallten sich in
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