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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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dahin, wo der Chef mit keinem verdammten Jet der Welt hinkäme. Die Verkleinerung der großen Welt durch die Vergrößerung der kleinen sozusagen. Was auch immer man Patthorn erzählen mochte von der großen Welt und ihren Zwängen und Ungeheuerlichkeiten, er hätte es glauben müssen, weil er nur die kleine Welt kannte. Das Management drei Etagen höher war für ihn jedenfalls ein Nicht-Ort, eine Welt, die weder wirklich klein noch wirklich groß war. In Patthorns Augen konnte man sie gar nicht greifen, sie schien mit keinem Forschungsansatz dieser Welt erklärbar zu sein.
    »Ob die wirklich echt sind, die Käfer? Wonach sehen die denn Ihrer Ansicht nach aus? Wie frisch mit Sprühlack überzogen?«Patthorn grinste wie ein kleiner Junge. Er mochte etwas über dreißig Jahre alt sein, dachte Miranda, und er hatte wahrscheinlich, schon seit er vier war, alle Insekten, die auch nur annähernd ungewöhnlich oder ekelig genug aussahen, auf Styroporplatten gepiekt und damit die heimischen Wände zugehängt. Nur so konnte sie es sich erklären, dass er als halbwegs ausgewachsener Mann seine Erfüllung allein darin fand, Panzerschichten von Mistkäferkörpern abzulösen.
    Diese Aufgabe war bei aller Routine nicht ganz einfach: Das Chitinkleid der Käfer bestand aus siebzig Schichten, die zusammen nicht weniger als das Zehnmillionstel eines Meters dick waren. Die äußerste Schicht musste aufwändig gereinigt werden, denn auf ihr saßen oft Milben, die den Käfer als Fahrzeug benutzt hatten. Für die optische Untersuchung dagegen war schon wieder ein Kollege in einer anderen Abteilung zuständig. Es gab eine Art Ökotrophologin mit dem Spezialgebiet »Mistkugel«, sodass die Käfer sozusagen ihre eigene Ernährungsberaterin hatten. So ging die Kette scheinbar unendlich weiter bis hin zu dem Mann, der in einem vollverspiegelten Raum Plättchen aus gepresster Cellulose sortierte und nach dem Vorbild der Chitinpanzer aufeinanderstapelte, als baue er ein Weltraumteleskop. Es war beruhigend zu wissen, dass die wirklich großen Errungenschaften der Technik selbst heute noch unter recht putzigen Bedingungen ihren Anfang nahmen. Und vielleicht nicht nur die, dachte Miranda.
    Patthorn nahm einen Käfer, um diesen unter sein Mikroskop zu legen, und sagte: »Wie läuft’s denn so bei Ihnen da oben im Management? Gibt es Neuigkeiten fürs Fußvolk?«
    »Hm.« Ob das nun schnödes Aushorchen oder aufrichtiges Interesse war – Miranda hasste diese Momente. Sie musste dann Dinge verschweigen, die ansonsten viel zu früh für schlechte Stimmung im Hause gesorgt hätten. Da, wo sie arbeitete, war sie zu nah dran an der Regie, an all den Informationsfetzen, Befindlichkeiten, Szenarien und Businessplan-Entwürfen, und es war nahezu unmöglich, dies völlig zu ignorieren. Dazu hätte sieihren eigenen Verstand ausschalten müssen, und dieser Preis war ihr zu hoch.
    In den letzten Tagen hatte sich nämlich eine seltsame Metamorphose innerhalb der Winter Berry Group vollzogen. Noch sah man sie nicht, aber man spürte sie. Miranda hatte plötzlich beinahe im Minutentakt Leute von der Bank am Telefon, für deren Funktionen man einen Beipackzettel gebraucht hätte. Sie waren zusammen mit Winter in weißen Kitteln und Gummischuhen durch die Treibhäuser gestapft, waren geblendet, hatten ihre Sonnenbrillen aufgesetzt und konnten dann nicht mehr Silber von Gold unterscheiden. Ferner gab es da neuerdings Rechtsanwälte, Notare, Immobilienentwickler und immer wieder diesen seltsam überdrehten Herrn, den sie schon beim allerersten Telefonat in der Angelegenheit am Hörer gehabt hatte und der sich jedes Mal wunderte, wenn sie nach seinem Namen fragte. Man kenne ihn. Er sei Löhring, DER Löhring. Nur die Spinne im Netz, Kesch, der eigentliche Vermögens- und Immobilienverwalter, hatte kein einziges Mal angerufen. Er hatte lediglich die Miete erhöhen lassen. Dafür hatte er seine Leute.
    Und ein paar Etagen tiefer, einmal quer über den Rasen, saß Richard Patthorn vor seinen Chitinpanzerchen und ahnte von all dem nichts. Manchmal wäre Miranda auch gern Käfer gewesen, mit einem kleinen Panzer und einem kleinen Hirn. Nicht so viel denken. Einfach nur mal sein und über die Blätter kriechen.
    »Ist es ein Männchen oder ein Weibchen?«, wollte sie wissen, als Patthorn begann, den Panzer eines Käfers unter dem Mikroskop einzuscannen.
    »Es war ein Weibchen, eine Käferfrau sozusagen. Sie haben etwas größere Fühler bei dieser Art.« Er blickte auf und

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