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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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davon wissen. Und auch keine!«
    Ich nickte, so ernst ich konnte. Sie kuschelte sich näher an mich. Meine Brust knirschte leise unter ihrem Gewicht und schmerzte mich noch immer sehr.
    »Und nun gib acht! Gleich am darauffolgenden Tag bekam ich wieder Besuch. Die Fahrenden waren in diesem Monat viel auf den Wintermärkten unterwegs und ich dachte mir nichts dabei. Sie war noch sehr jung mit dem unreinen Gesicht einer Bäuerin und trug ihr Haar zu zwei blonden Zöpfen geflochten. Unter dem Arm trug sie einen länglichen Korb. Ein Deckel verschloss seinen Inhalt. Sie nahm lächelnd den Weg fort von den anderen zu mir in den Garten. Sie gesellte sich zu mir auf die Treppe, wo ich saß, und wir plauderten ein wenig über alles Mögliche. Schließlich lüpfte sie den Deckel. Darin lagen die wunderschönsten Korsagen, die du dir vorstellen kannst. Selbst einem groben Mann wie diesem Sandford hätte bei ihrem Anblick der Atem gestockt. Sie waren alle aus Seide geschneidert, leicht wie Federn und ebenso weich. Sofort suchte ich mir eine aus, die ganz aus glänzendem meerblauen Stoff gefertigt war. Die junge Frau drapierte sie mir um mein Kleid, noch ehe ich wagte, sie darum zu bitten. Die zarte Spitze verschmolz mit meinem Körper und formte ihn beinahe wie von selbst, noch ehe sie die Schnürung in ihre Hände nahm. Sie saß perfekt. Behände fing sie an, mich zu schnüren. Ich bemerkte, wie sich der Stoff mit jeder ihrer geschmeidigen Handbewegungen enger um mich schmiegte. Ich sah über meine Schulter in ihr Gesicht, ihr schien es zu gefallen. Plötzlich jedoch – Frederick, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber bitte glaube mir! – stachen mich Hunderte winziger Nadeln durch den Stoff hindurch und durch den meines Mantels und Kleides in die Haut. Der Stoff wurde enger und enger, und ehe ich aufschreien konnte, zog sich der Stoff noch einmal mehr zusammen, quetschte zuerst meine Taille und dann meine Brust wie in einer großen Zange bis … bis … ich kaum mehr atmen konnte! Ich hatte wahnsinnige Schmerzen am ganzen Oberkörper. Ich fühlte, wie sich meine Rippen tief in mich hinein bogen, hörte sie sogar knacken. Sie stachen in meine Innereien, Fred. Ich hatte wahnsinnige Angst. Die Korsage nahm mir vollkommen den Atem und ich blickte an mir hinab. Viele dünne Rinnsale meines eigenen Blutes sickerten durch den Stoff meiner Kleider. Ich zerrte mit beiden Händen verzweifelt an den Nähten, doch sie zog sich wie von selbst mehr und mehr zusammen. Ich spürte die Adern in meinem Gesicht hervortreten, wie meine Haut erst immer heißer, dann eiskalt wurde. Es stieg mir sauer im Hals auf, mir wurde übel. Ich drehte mich im Kreis, bis ich die junge Frau im Blickfeld hatte und ich erkannte … tiefsten Hass in ihren Augen. Ich war entsetzt. Ich kannte sie noch nicht einmal. Entkräftet ging ich in die Knie, ihr abfälliger Blick folgte mir, bis ich mit dem Gesicht im Schnee lag.«
    Auch ich war entsetzt und starrte sie mit angehaltenem Atem an. War der schleichende Wahnsinn ihres Vaters doch keine simple Krankheit? Doch ein Erbe, das sich nun auch bei ihr bemerkbar zu machen schien, offensichtlich. Vergiftete Kämme und mörderische Korsagen. Und es sah nicht so aus, als sei sie schon fertig mit ihrer Geschichte. Meine Güte!
    »Ich sah noch, wie sie ihre Röcke raffte und sich eilig davon machte. Eine Ewigkeit später schnitt mich jemand mit einer Gartenschere aus dem Stoff. Niemand außer mir hatte diese Händlerin dieses Mal gesehen. Somit konnte keiner meiner Bediensteten mir sagen, um welche Frau aus dem Dorf es sich handeln könnte. Viele kleine doch tiefe Einstiche markierten meinen Körper. Nur mithilfe der mütterlichen Pflege meiner Servants verschwanden sie schnell und glücklicherweise vollständig. Jedoch bekam ich wenige Tage darauf erneut Besuch.«
    Oh Himmel!
    »Nach einigem Gezanke mit diesen sturen Händlern, mit denen wir uns am nächsten Vormittag auf dem Markt herumschlugen, um Vorräte und Stoffe zu kaufen, fuhr ich mit einem meiner Servants früher als die anderen wieder zurück. Da es stürmisch wurde und nach neuem Schnee aussah, trug ich ihm auf, Tee zuzubereiten und ging noch eilig einige Schritte allein spazieren. Als es donnerte, kehrte ich um und sah, als ich zu Hause ankam, wie sich ein altes Weib auf den Stufen nach oben kämpfte. Auf ihrem Rücken trug sie einen großen Weidenkorb mit … ich weiß, das klingt seltsam, aber sie trug ihn voll mit Äpfeln, von denen die meisten

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