GLÄSERN (German Edition)
einen Teil des Lohnes versäuft. Um ehrlich zu sein, es befand sich ein erstaunlicher Haufen von gaffenden Nichtsnutzen hier, und mir war es zuwider, meine Schöne in ihrem roten Mantel unter ihnen sitzen zu sehen. Wir begannen die erste Runde mit einem Dunklen, denn wie befürchtet konnten sie hier weder guten Whiskey noch einen anständigen Single Malt bieten. Wir tranken alle zu viel deutsches Bier. Ich für meinen Teil spülte den Schmerz über Ginivers Verlust hinunter, ertränkte die Unsicherheit. Und Kieran, vielleicht und zu Recht, die Angst – vor dem Eintreffen auf Amaranth Manor. Lord Sandys finstere Blicke, die er unter seinen dichten Brauen durch den Raum schleuderte, rundeten die gedrückte Verzweiflung lediglich ab. Eirwyn zog sich als Erste zurück und nahm den Verletzten mit sich. Wir anderen blieben noch eine Weile stumm sitzen und versuchten für einen Moment, uns nicht zu sehr zu verabscheuen.
Des Nachts hörte ich , wie der Jäger im Zimmer nebenan stöhnte. Wieder einmal vor Schmerzen. Scheinbar waren sie doch so schlimm, wie man anhand der zahlreichen Wunden befürchten musste. Die gequälten Laute, vermischt mit dem sanften Geflüster seiner Geliebten, begleiteten mich in dieser kalten Nacht, die ich einsam zwischen dünnen Laken zubrachte, gefangen in unruhigem Dämmerschlaf. Irgendwann war ich es überdrüssig, nicht zur Ruhe kommen zu können und setzte mich mit gekreuzten Beinen auf die breite Fensterbank und ließ mich von dem abnehmenden Mond mesmerisieren. Mit Genugtuung erkannte ich, dass nun jegliche Zauberkräfte mit diesem silbrigen, unebenen Himmelskörper dort oben abnahmen, völlig gleich, um welche es sich dabei handelte. Gut oder schlecht, es war mir einerlei. Ich hatte die Nase voll von Dingen, die ich nicht verstand und den seltsamen, undurchschaubaren Wesen, die sich Menschen nannten.
Weit in der Ferne stieg gespenstischer Nebel auf, der sich wie tanzende Geister zum Boden hin schmiegte. Das Firmament oszillierte eine Weile zwischen dunklem Violett und aufglimmendem hellen Rot und ich bemerkte, dass ich mich die ganze Nacht hindurch vor- und zurückgewiegt hatte. Erschöpft atmete ich aus, schloss die Augen und wünschte mich an einen Ort, an dem ich nur für mich sein konnte. Eine Zuflucht, wie Eirwyn sie auf Gut Waldeck gehabt hatte. Leider erwartete mich nicht einmal ein eigenes Zuhause, lediglich ein Raum, wenn er auch wundervoll ausgestattet war, und wo es mir an nichts mangelte – jedoch weit entfernt von unantastbarer Zurückgezogenheit. Im Parterre kündigten sich polternd die ersten Gäste zum Frühstück an. Ich erhob mich seufzend, reinigte mich achtlos, was mir bis heute einen Schauer des Ekels mir selbst gegenüber über den Nacken rieseln lässt, und ging nach nebenan zu meinen Freunden. Eirwyn öffnete mir mit geröteten Augen, noch ehe ich anklopfen konnte. Bereits auf den ersten Blick stellte ich fest, dass sie nur ein durchsichtiges Nachthemd aus weißem, feinem Stoff trug, das ihr bis zu den Waden reichte. Das seidenschwarze Haar hatte sie auf die Seite frisiert und mit einem der roten Bänder zusammengebunden. Mit einiger Mühe riss ich meinen Blick von ihr und blickte zum Bett. Zwischen verschwitzten Laken lag Kieran, gekrümmt und wie aus Wachs gegossen.
»Du hast die Nacht überstanden, wie ich sehe?«, fragte ich, so besorgt es mir möglich war.
Er drehte langsam den Kopf. »Was hat mich verraten?«, stieß er sardonisch hervor und lächelte mich zynisch an.
Ich erwiderte sein Lächeln nicht, als Eirwyn erklärte: »Ich habe ihm Wickel gemacht, die Wunden mit Kräutern aus dem Wald bedeckt und ihm viel Wasser gegeben. Er kann reisen, denke ich. Es wäre mir zwar lieber, wenn wir ihn hier lassen könnten, bis seine Wunden vollständig verheilt sind, aber … du weißt ja, es ist sinnlos, gegen die Männlichkeit und für die Vernunft zu appellieren.« Sie verdrehte die Augen. »Also muss er wohl leiden.«
Sie begann, ihre Sachen zusammenzusuchen, und ließ mich im Türrahmen stehen. Um ehrlich zu sein, wäre ich in Kierans Lage gewesen, ich hätte sie ebenfalls mutig und bereit, Schmerz zu ertragen, begleitet, bis sie heil zu Hause gewesen wäre. Abgesehen davon, dass ich nicht in seiner Lage war, hatte ich auch keine der genannten Charaktereigenschaften. Er hingegen sah das wohl etwas anders.
»Mich allein in diesem Dreckloch hier vor mich hinvegetieren zu lassen, erscheint meiner Holden durchaus erträglich. Ich sage, auf zu Marter und Qual
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