Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
zeigen, wiewohl sie so oft durch ihre Berührung mit andern Völkern entartet sind, unter ihren zahlreichen Stämmen Adern, in denen sich der erhabene Typ der asiatischen Schönheit erhalten hat. Wenn sie nicht von abstoßender Häßlichkeit sind, stellen sie den prachtvollen Charakter der armenischen Figuren dar. Esther hätte im Serail den Preis davongetragen; sie besaß die dreißig Schönheiten in harmonischer Verschmelzung. Weit davon entfernt, die Vollendung der Formen und die Frische der Hülle zu beeinträchtigen, hatte ihr seltsames Leben ihr einen unsagbaren Zauber von Fraulichkeit verliehen. Sie hatte nicht mehr das glatte und straffe Gewebe der unreifen Früchte, und sie hatte auch noch nicht den warmen Ton der Reife; es war noch etwas von der Blüte darin. Ein paar Tage mehr in der Ausschweifung, so wäre sie beim Embonpoint angelangt. Jener Reichtum der Gesundheit, jene Vollkommenheit des Tieres bei einem Geschöpf, für das die Wollust an die Stelle des Denkens trat, muß in den Augen der Physiologen eine hervorragende Tatsache bedeuten. Durch einen Umstand, der bei sehr jungen Mädchen selten, um nicht zu sagen unmöglich ist, waren ihre Hände, die von unvergleichlichem Adel waren, weich, durchsichtig und weiß, wie die Hände einer Frau, die mit ihrem zweiten Kind niederkommt. Sie hatte genau den Fuß und das Haar, die mit Recht bei der Herzogin von Bern so berühmt waren: ein Haar, das die Hand keines Friseurs halten konnte, so voll war es, und dabei so lang, daß es bis auf den Boden fiel und dort noch Ringe bildete; denn Esther war von jener mittlern Größe, die noch erlaubt, aus einer Frau ein Spielzeug zu machen, sie zu nehmen und zu verlassen und unermüdlich wieder zu greifen und umherzutragen. Ihre Haut war fein wie chinesisches Papier und von einem warmen Amberton, der nur durch rote Adern nuanciert war; sie leuchtete, ohne trocken zu sein, sie war weich, ohne feucht zu sein. Esther war äußerst kräftig, aber scheinbar zart; sie zog sofort die Aufmerksamkeit auf sich durch einen Zug, wie man ihn in den Gesichtern bemerkt, die Raffaels Zeichnung am künstlerischsten wiedergegeben hat; denn Raffael ist derjenige Maler, der die jüdische Schönheit am meisten studiert, am besten dargestellt hat. Dieser wundervolle Zug prägte sich aus in der Tiefe der Wölbung, unter der sich das Auge, wie von seinem Rahmen gelöst, bewegte und deren Kurve durch ihre Schärfe der Rippe eines wirklichen Gewölbebaues glich. Wenn die Jugend diesen schönen Bogen, den Brauen mit sich verlierenden Wurzeln überrahmen, in reine und durchsichtige Töne kleidet; wenn das Licht in die untere kreisrunde Furche gleitet und dort in hellem Rosa ruhen bleibt, so zeigen sich dort Schätze der Zärtlichkeit, die einen Liebhaber zufriedenstellen, Schönheiten, die die Maler zur Verzweiflung treiben können. Diese lichtvollen Fältchen, in denen der Schatten goldige Töne annimmt, dieses Gewebe, das die Festigkeit einer Sehne und die Biegsamkeit des zartesten Häutchens besitzt, sind die letzte Anstrengung der Natur. Das ruhende Auge liegt darin wie ein Wunderei in einem Nest aus Seidenfädchen. Aber später, wenn die Leidenschaften diese feinen Konturen geschwärzt, wenn die Schmerzen dieses Netzwerk von Fäserchen durchfurcht haben, nimmt dieses Wunder eine furchtbare Melancholie an. Esthers Ursprung verriet sich in jenem orientalischen Schnitt der Augen mit den türkischen Wimpern, deren schiefergraue Farbe im Licht die bläulichen Töne der schwarzen Flügel des Raben annahm. Nur die überschwengliche Zärtlichkeit ihres Blicks vermochte seinen Glanz zu mildern. Nur die aus Wüsten gekommenen Rassen besitzen im Auge die Macht, alle zu bezaubern; denn irgendeinen bezaubert jede Frau, Ihre Augen bewahren ohne Zweifel etwas von der Unendlichkeit, in die sie geschaut haben. Hat die Natur in ihrer Voraussicht ihre Retina mit einer spiegelnden Decke versehen, die es ihnen ermöglicht, die Spiegelungen des Sandes, die Sonnenströme und den glühenden Kobalt des Äthers zu ertragen? Oder nehmen die Menschen wie andere Wesen etwas von der Umwelt an, in der sie sich entwickeln, und bewahren sie die Eigenschaften, die sie so erwerben, durch Jahrhunderte? Diese große Lösung des Rassenproblems liegt vielleicht schon in der Frage selber. Die Instinkte sind lebendige Tatsachen, deren Ursache in einem erfahrenen Zwang besteht. Die tierischen Variationen sind das Ergebnis der Übung dieser Instinkte. Um sich von dieser so viel
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