Glanz
Antidepressivum, wenn ich das richtig sehe. Ein Medikament, das schnell abhängig macht. Dieselbe Droge, die Eric genommen hat, als er ins Koma fiel! Willst du wirklich am Ende genauso daliegen?«
»Was schlägst du stattdessen vor?«
»Lass uns Eric zurück ins Krankenhaus bringen! Du bist wieder gesund. Wir haben erreicht, was wir wollten. Lass uns die Sache beenden, bevor etwas wirklich Schlimmes passiert!«
»Aber die Sache ist nicht beendet«, protestierte ich. »Nicht, solange Eric immer noch im Koma liegt!«
|123| »Tut mir leid, Anna, aber Eric ist Ihr Sohn, nicht der von Tante Emily. Sie haben kein Recht, von ihr zu verlangen, dass sie ihr Leben für ihn riskiert!«
Der Eisklumpen in meinem Magen wurde immer schwerer. Ich senkte den Blick.
Emily legte eine Hand auf Marias Arm. »Ich weiß deine Sorge um mich zu schätzen«, sagte sie. »Aber ich glaube, ich bin alt genug, um für mich allein zu entscheiden. Eric braucht meine Hilfe. Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn er stirbt oder im Koma gefangen bleibt, weil ich ihn im Stich gelassen habe.«
Maria sprang auf und stürmte wütend aus der Küche. In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Aber ich, ich soll es mir verzeihen können, wenn du ins Koma fällst oder stirbst, ja?« Bevor Emily etwas erwidern konnte, knallte sie die Tür zu.
Emily sah mich mit einem schiefen Lächeln an. »Ver zeih ihr! Sie ist etwas impulsiv. Sie meint es nicht so.«
»Sie hat recht«, sagte ich. »Ich kann das nicht von dir verlangen!«
»Anna, ich habe meine Gabe nicht zum Spaß bekommen. Sie ist eine Verpflichtung. Wenn ich sie benutzen kann, um Eric zu helfen, dann muss ich das tun!« Sie stand auf.
Ich erhob mich ebenfalls und umarmte sie. »Danke! Vielen Dank!«
»Schon gut. Ich kümmere mich jetzt besser um meine Nichte. Wie wäre es, wenn du inzwischen die übrigen Pillen holst und bei der Gelegenheit ein paar Sachen für dich einpackst? Es ist sicher am besten, wenn du die nächsten Tage bei uns bleibst. Das Sofa im Wohnzimmer lässt sich zu einem Gästebett umbauen. Nicht allzu bequem, aber es wird gehen, denke ich.«
»Ja, das mache ich. Danke, Emily!«
|124| Während ich im Taxi durch die überfüllten Straßen Manhattans fuhr, starrte ich gedankenverloren aus dem Fenster. Ich war hin und her gerissen zwischen der Hoffnung, die Emilys Unterstützung in mir geweckt hatte, und der Sorge, dass wir es trotz all unserer Bemühungen nicht schaffen würden. Marias Satz nagte an meiner Zuversicht wie Ratten an einer Leiche: Glauben Sie wirklich, Sie können ihn aus dem Koma befreien, indem Sie in seinem Kopf herumspazieren?
Während ich darüber nachdachte, glitt mein Blick über die Autos und die unzähligen Menschen am Straßenrand hinweg, ohne sich irgendwo festzusetzen. Die übliche Mischung aus Touristen, Geschäftsleuten und Hotdog-Verkäufern tummelte sich in den steinernen Schluchten Manhattans.
Plötzlich schrak ich zusammen. »Halten Sie bitte an«, rief ich dem Taxifahrer zu, einem Inder oder Pakistani. Noch bevor der Wagen richtig zum Stehen gekommen war, sprang ich raus. Ich sah mich um, doch in dem dichten Menschentreiben konnte ich die Person, die ich suchte, nicht mehr finden.
»Hey, Ma’am!«, rief der Taxifahrer hinter mir her. »Ma’am, Sie müssen bezahlen noch! Dreizehn und ein viertel Dollar!«
Ich wandte mich um und stieg wieder ins Taxi. Ich war mir sicher, dass am Straßenrand die Frau mit dem schwarzen Schleier gestanden hatte. Sie hatte mich direkt angesehen, als wir an ihr vorbeigefahren waren. Doch jetzt war sie spurlos verschwunden.
Der Taxifahrer musterte mich skeptisch im Rückspiegel. »Alles okay mit Ihnen, Ma’am?«
»Ja, schon gut. Entschuldigung, aber ich dachte, ich hätte eine Freundin gesehen. Fahren Sie bitte weiter.«
|125| Kurz darauf erreichte ich meine Wohnung. Ich duschte und packte ein paar Sachen in eine Reisetasche – bequeme Kleidung zum Wechseln, Waschzeug, zwei Handtücher. Ich ignorierte das Blinken des Anrufbeantworters, wie ich es schon seit Wochen tat. Es war, als hätten mein altes Leben, mein Beruf, meine professionellen Kontakte aufgehört zu existieren. Sie bedeuteten mir nichts mehr. Ich wusste nicht, ob ich jemals wieder in die Normalität zurückkehren konnte.
Ich verdrängte den Gedanken, ging in Erics Zimmer und steckte den Plastikbeutel mit den restlichen Glanz-Kapseln ein.
Ich war gerade im Begriff zu gehen, als es an der Wohnungstür klingelte. Die Polizei, durchzuckte es
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