Glanz
betrachtete den Zettel und riss die Augen auf. Dort waren immer noch dieselben unverständlichen griechischen Buchstaben. Aber ich wusste plötzlich, dass ich mich beim ersten Mal hinsichtlich ihrer Bedeutung getäuscht hatte. Dort stand etwas ganz anderes. Die Schriftzeichen bedeuteten ganz klar: »Gehe zurück!«
Gehe zurück. Sehr witzig! Was versuchte ich denn die ganze Zeit?
Ich war im Begriff, das Pergament zu zerknüllen, als mir ein Gedanke kam. Ich ging rückwärts einen der Gänge entlang – welcher es war, wusste ich nicht mehr. Nach kurzer Zeit war ich sicher, dass der Gang länger war als zuvor. Ich wagte nicht, mich umzudrehen, aus Angst, wieder nur eine Biegung nach rechts oder links zu sehen. Ich ging langsam weiter.
Es war ein beklemmendes Gefühl, in diesem unbekannten Labyrinth rückwärtszugehen, ohne zu wissen, wohin ich trat. Was, wenn ich über einen Stein stolperte oder in eine Fallgrube stürzte? Ich kämpfte die Angst nieder. Der Gang war jetzt eindeutig länger als jedes der Teilstücke zuvor. Ich hatte den Lösungsweg gefunden und musste ihm bis zum Ende folgen.
|137| Nach ein paar weiteren vorsichtigen Schritten rückwärts weitete sich der Gang zu einem Raum. Jetzt drehte ich mich um.
Der Raum war quadratisch, hatte einen Durchmesser von etwa fünf Metern und ebenso hohe Wände. Es gab keinen zweiten Ausgang; nur in der Decke über mir befand sich eine quadratische Öffnung von etwa anderthalb Metern Breite, unerreichbar hoch.
Na großartig, eine Sackgasse! Ich ging rückwärts in den Gang, aus dem ich gekommen war, in der vagen Hoffnung, er möge mich in einen anderen Raum führen.
Nach wenigen Schritten stieß ich mit dem Rücken gegen eine Wand. Ich drehte mich um. Der Gang endete hier einfach, und nichts deutete darauf hin, dass die Wand vor mir nicht schon seit Jahrtausenden hier stand.
Also schön. Ich ging wieder zurück in den quadratischen Raum. Offenbar gab es nur den einen Ausweg über die Öffnung in der Decke. Wieder ein Rätsel.
Ich musste einen Weg finden, dort hinaufzukommen. Aber wie? Die Wände bestanden aus glattem Stein, der so sorgfältig bearbeitet worden war, dass die Fugen kaum sichtbar waren. Unmöglich, dort hinaufzuklettern, wenn man nicht gerade Spiderman war. Eine Leiter oder ein anderes Hilfsmittel war nirgends zu sehen.
Ich rollte erneut das Pergament auseinander und betrachtete die griechischen Schriftzeichen. Ihre Bedeutung hatte sich wieder zurückverwandelt in »Die Dinge sind nicht so, wie sie erscheinen.« Keine Hilfe also aus dieser Richtung.
Ich hüpfte auf der Stelle, aber weder hatte der Boden die Eigenschaften eines Trampolins, noch besaß ich plötzlich Superkräfte. Ich schloss die Augen, wünschte mir intensiv einen Ausgang und öffnete sie wieder. Der Raum |138| war wie vorher. Noch einmal ging ich den Gang zurück, doch auch dieser hatte sich nicht verändert. Ich drückte gegen die Wand, suchte nach verborgenen Schaltern oder Druckknöpfen, fand nichts. In meiner Verzweiflung rief ich: »Sesam, öffne dich!«, natürlich ebenfalls ergebnislos.
»Verdammt noch mal, Eric, hör auf mit diesem Quatsch!«, brüllte ich. Doch nur die Stille des Tempels antwortete mir.
In meiner Frustration nahm ich das Stück Brot und warf es wütend nach der Öffnung über mir. Es prallte von der Decke neben der Öffnung ab, stieß gegen die Wand – und blieb dort kleben.
Ich starrte das Brot an. Das war es also! Irgendwie schien diese Wand klebrig zu sein. Ich berührte sie mit der flachen Hand, spürte jedoch keinerlei Widerstand, als ich sie wieder abzog. Nein, klebrig war die Wand eindeutig nicht. Vielleicht war sie es nur weiter oben, dicht unter der Decke? Aber wie sollte ich dort hinkommen?
Wieder dachte ich an Spiderman, für den diese Wand kein Problem dargestellt hätte. Und plötzlich kam mir ein Gedanke. Als Fotografin kannte ich natürlich ein paar der Tricks, mit denen Kameraleute beim Film arbeiteten. Um Spiderman an einer senkrechten Wand emporklettern zu lassen, legte man diese Wand einfach flach auf den Boden und montierte die Kamera so, dass die Szene von oben gefilmt wurde. Dann musste der Schauspieler nur noch über den Boden kriechen, und im Kino sah es so aus, als klettere er.
Ich setzte die Öllampe auf dem Boden ab, stellte mich flach gegen die Wand und schloss die Augen. Ein Schwindelgefühl überkam mich. Als ich sie wieder öffnete, lag ich auf dem Boden. Nein, ich lag auf dem, was vorher die Wand gewesen war. Aber
Weitere Kostenlose Bücher