Glashaus
installiert es seinen Kern in dessen Netzwerkverbindung. Und wenn man sich bei einem A-Tor anmeldet, um ein Back-up anzulegen oder sich irgendwohin befördern zu lassen - was durch die eigene Netzverbindung veranlasst wird -, ist Curious Yellow das Erste, was den Zwischenspeicher des Tors erreicht. Die Kontrollknotenpunkte von A-Toren sind angeblich so konstruiert, dass sie mit den Dateien nichts anstellen können, aber wer auch immer CY erfunden haben mag, ist offensichtlich auf einen Designfehler in der Standardkonstruktion gestoßen und hat ihn sich zunutze gemacht. Menschen, die von den infizierten Toren auf molekularer Ebene demontiert und wieder zusammengesetzt werden, infizieren im Laufe ihrer Reise weitere A-Tore. CY setzt Menschen als Krankheitsüberträger ein.
Das ursprüngliche CY, das die Republik Is infizierte, installierte eine Fracht, die darauf abzielte, historische Informationen rund um ein bestimmtes Ereignis neu zu editieren. Ich bin mir nicht sicher, um welches Ereignis es sich handelt, nehme jedoch an, dass es ein Nachbeben war - Folgewirkung einer Phase, in der eine der alten Diktaturen über Wahrnehmung und Bewusstsein zerstört wurde. Und CYs Instrumente waren Zensurmaßnahmen, die es bei den Menschen vornahm, sobald sie infizierte Tore passierten. Doch das Programm aktivierte sich erst, als die Infektion das gesamte Netzwerk erfasst hatte. Deshalb tauchte Curious Yellow überall mit schockierender Plötzlichkeit auf, nachdem es sich stillschweigend Hunderte von Megasekunden lang verbreitet hatte.
In meinem Erinnerungstraum lasse ich mir auf der Brücke der Grateful for Duration Tee einschenken; derzeit hat die Kommandozentrale die Gestalt eines Schreins im alten Nippon, der einer See-Kami geweiht ist. Im Schneidersitz hocke ich Septima gegenüber, der Archivverwalterin des Schiffs, und warte auf Kapitän Vecken. Während ich einige Fragen durchgehe, die ich offline gespeichert habe, bekommt meine Netzverbindung einen Schluckauf. Offenbar liegt das an einem Cache-Kohärenz-Fehler: Das T-Tor des Schiffs hat sich gerade abgeschaltet.
»Geht da irgendwas vor?«, frage ich Septima. »Man hat mich gerade vom Netz abgekoppelt.«
»Kann sein.« Septima wirkt irritiert. »Ich werde jemanden bitten nachzuforschen.« Sie starrt direkt durch mich hindurch, was mir ins Gedächtnis ruft, dass es drei oder vier weitere Kopien dieser seltsamen alten Archivarin gibt, die derzeit in den konzentrisch angelegten Zylinderhabitaten des Schiffs unterwegs sind. Sie blinzelt schnell. »Anscheinend ist es ein Sicherheitsalarm. Irgendein Störenfried ist gerade in unseren der Transkription vorbehaltenen Kommunikationsraum eingedrungen. Wenn Sie hier einen Augenblick warten, werde ich mich erkundigen, was los ist.«
Sie geht auf die Tür des Teehauses zu. Soweit ich es später rekonstruieren kann, ist das genau der Moment, in dem ein Schwarm von achtzehntausenddreihundertneunundzwanzig Angriffsrobotern in Wespengröße aus dem Assembler im Heim meiner Familie herausstürmt. Wir wohnen in einem uralten Gebäude, das in seiner Architektur einem längst von der Erde verschwundenen Haus namens Fallingwater nachempfunden ist. Es ist ein konservatives Design, aus der Zeit vor der Beschleunigung. In diesem Haus gibt es zwar Türen, Treppen und Fenster, aber keine inneren T-Tore, die man abschotten kann. Deshalb gelingt es den Robotern in Windeseile, Iambic-18 zu überwältigen, die sich gerade in der mit dem Assembler ausgestatteten Küche aufhält.
Sie dekonstruieren Iambic-18 so schnell, dass ihr keine Zeit bleibt, einen Schmerzensschrei auszustoßen oder einen entsprechenden Impuls in die Netzverbindung einzugeben. Danach schwärmen die Roboter als bösartig summendes Nebelgeschwader ins ganze Haus aus und machen kurzen Prozess mit dessen Bewohnern: ein kurzer Blutstrahl hier, ein erstickter Schrei dort. Der Haushaltsassembler ist von Curious Yellow verseucht, und unsere Back-ups wurden absichtlich gelöscht, um Platz für die Wespen der Tyrannei zu schaffen. Ich weiß es zwar noch nicht, doch in diesem Moment wird mein Leben auf brutalste Weise von allem abgeschnitten, was ihm Sinn verliehen hat.
Nach den Hinrichtungen fressen die Roboter die Körper und scheiden weitere Roboterteile aus, die sich selbstständig zu neuen Angriffsgeschwadern zusammenfügen und die Jagd auf Feinde von Curious Yellow fortsetzen.
All das weiß ich, weil Curious Yellow über all die Morde an leibhaftigen Menschen minutiös Buch
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