Glashaus
an ihrem Nacken ansetzt, genau zwischen den Wirbeln C 7 und T 1. Ein Druck auf den Energieschalter - und schon spritzt und schießt mehr Blut durch die Gegend, als man es sich überhaupt vorstellen kann. Und das Geschrei hört auf. Danach zieht Loral ihr Schwert heraus, während ich den Körper loslasse und den Kopf suche, der meistens klitschnass ist. Oft zucken die Augenlider noch, eine Folge des Amputationsschocks. So leise und schnell ich kann, werfe ich den Kopf ins A-Tor, das ihn schluckt und den Schädel weiterbearbeitet. Stets hoffe ich dabei, dass das ganze Gehirn abgespeichert werden kann, ehe eine dauerhafte Depolarisierung und die durch Osmose bedingte Apoptose, der genetisch programmierte Zellentod, einsetzen. Danach schnappt Loral sich den nicht mehr benötigten Körper und bindet ihn auf dem Haufen in der Ecke fest, den einer unserer Kampfgenossen von der Sondereinsatztruppe später auf eine Palette heben und mit dem Gabelstapler hinausbefördern wird, was er in regelmäßigen Abständen tut. Derweil fuhrwerke ich mit dem Besen auf dem Fußboden herum und kämpfe vergeblich dagegen an, dass sich das Blut in Pfützen rings um meine Füße sammelt.
Es ist eine ekelerregende, widerliche Arbeit. Zwar haben wir den Rhythmus inzwischen raus und arbeiten so zügig wir können, aber wir brauchen trotzdem fünfzig Sekunden für jeden Zivilisten. Schon seit hundert Kilosekunden arbeiten wir ohne jede Pause. Wir sind eines von acht Teams. Insgesamt haben wir während dieses einen Diurn etwa sechzehntausend Menschen entleibt und ihre Hirne abgespeichert.
Mal wieder habe ich entsetzliches Pech. Als sich die Tür erneut öffnet und die Männer auf der anderen Seite uns den nächsten Körper zuwerfen, der um sich tritt und aus Leibeskräften schreit, bin ich mit der Biffen Klinge dran, während Loral den Körper niederdrücken soll. Ich hebe das Schwert bereits, als mein Blick auf das entsetzte Gesicht fällt. Und je nachdem, welche Version des Albtraums es ist, merke ich, dass es mein eigenes Gesicht ist, oder, noch schlimmer …
… das Gesicht von Kay.
Als ich mit einem erstickten Schrei aus dem Albtraum hochfahre, nimmt mich jemand in die Arme. Ich bin in kaltem Schweiß gebadet und zittere unkontrolliert. Nach und nach wird mir klar, dass ich im Bett liege und gerade meine Bettdecke weggestrampelt habe. Vor dem Fenster scheint der Mond, und ich befinde mich im YFH-Gemeinwesen. So schlecht meine Lage bei Tag betrachtet auch sein mag, ist sie noch gar nichts gegen die grässlichen Dinge, die in meinen Träumen passieren. Aus meiner Kehle dringt leises Wimmern.
»Jetzt, wo du wach bist, ist alles wieder gut. Sie können dir nichts mehr anhaben.« Während Sam meine Schultern streichelt, lehne ich mich gegen ihn und schaffe es, das Wimmern in ein Seufzen zu verwandeln. Mein Herz wummert wie einer dieser Presslufthammer, die man hier bei Straßenbauarbeiten benutzt, und meine Haut ist klamm. Sam legt seinen Arm fester um mich. »Möchtest du darüber reden?«, fragt er leise.
»Es ist …«, schrecklich, »… ein wiederkehrender Traum. Erinnerungen …«, lückenhaft editiert, wie ich annehme, »… an ein früheres Leben. Das, was ich loswerden wollte, ist zurückgekommen, um mich zu verfolgen.« Ich spreche stockend, da ich einen fauligen Geschmack im Mund habe und noch nicht ganz wach bin. Die Schatten meiner Vergangenheit haben mich abrupt aus dem Schlaf geholt. Was macht Sam in meinem Schlafzimmer?
»Du hast dich hin und her geworfen, im Schlaf gestöhnt und vor dich hin gemurmelt«, erklärt er. »Ich hatte Angst, du könntest einen Schlaganfall haben.«
So etwas kann vorkommen, selbst in diesem Alter. Ich stütze mich auf einen Arm auf, ziehe mich aber nicht von Sam zurück. Stattdessen strecke ich meinen rechten Arm unter der Bettdecke hervor und halte Sam fest.
»Bei dem Eingriff in die Erinnerungen ist mir vieles verloren gegangen«, sage ich stockend. »Wenn das hier ein Teil davon ist, wäre es mir lieber, es käme nicht mehr hoch.«
»Das ist jetzt vorbei.« Während er mich zu beruhigen versucht, schlinge ich meinen anderen Arm um Sam und drücke ihn fest an mich. Er ist groß, er ist stabil, ein ernsthafter Mensch, der in sich ruht . Der ernsthafte Sam. Ich schmiege mein Gesicht in die Kuhle unter seinem Kehlkopf und atme einmal, zweimal tief ein. In seiner Umarmung fühle ich mich gut, geschützt. Sam, der Schutzmann. Mein Brustkorb bebt, als ich ein nervöses Kichern unterdrücke. »Was
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