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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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Sekunde an Sertabs Zuverlässigkeit gezweifelt.
    Er dachte daran, dass sie ihn zweimal in seinem Haus besucht hatte. Zwei Lügen mehr.
    „ Er hat ein komplettes Tonstudio im Keller“, hatte Sertab erzählt. “Er hat mir etwas vorgespielt. Nichts weiter – wir haben nur zusammen Musik gehört. Sein bester Freund ist DJ in einer Disco. Sie wollten zusammen ein Video machen, sie haben gefragt ob ich darin mitspielen will. Sie haben ein großes Haus. Sein Vater ist Anwalt oder so was.“
    Younas, der dem Zeiger seiner Uhr dabei zugesehen hatte wie er unaufhaltsam von Sekunde zu Sekunde, Zahl zu Zahl sprang.
    „ Wie sieht es in dieser Straße aus? Beschreib es mir.“ Sertab schloss die Augen. Konzentrierte sich. Begann Haus und Straße zu beschreiben. Es dauerte kaum eine Minute bis sich in Younas ein Plan aufzubauen begann.
    „ Da ist ein Platz für Müllcontainer keine dreißig Meter vom Haus. Ich bin mal zusammen mit ihm da hingegangen. Sie hatten am Abend zuvor eine Party im Haus. Wir haben all die leeren Flaschen zu den Containern getragen. Da ist eine hohe Hecke um den Müllplatz. Keiner kann euch dort sehen.“
    Mehr hatte er nicht gebraucht. Tiere zu Tieren. Müll zu Müll.
    Zehn Minuten? Weniger?
    Er hätte nicht sicher zu sagen gewusst, wie lange er dort an dem Müllplatz im Schatten der Hecke gestanden und auf den Jungen gewartet hatte.
    Schließlich war es soweit. Er drückte sich tiefer in den Schatten der übermannshohen Hecke.
    Danach ging alles überraschend schnell und glatt. Der blonde hoch aufgeschossene Junge vor ihm war nicht mehr irgendjemandes Kind, nicht mehr länger irgendjemandes Freund oder Vertrauter, sondern nur noch das, was er und seine Freunde ein paar Stunden zuvor aus Younas Tochter gemacht hatten: Ein innerhalb sicherer Grenzen reagierender Gegenstand.
    Flüsternd stellte ihm Younas die Fragen, die er sich ihm zu stellen vorgenommen hatte.
    Der beißende Geruch nach in den Containern faulenden Abfällen und irgendwo ein zaghaft bellender Hund.
    Eine Art Schock als das Tier, das nicht mehr länger ein Mensch war, plötzlich tatsächlich antwortete.
    Während er später zwei Schüsse in den Oberkörper des Tieres jagte sah er seine Tochter ausgebreitet auf der Motorhaube eines dunkelroten BMW. Ihr zerfetztes Höschen neben dem Wagen - ein himmelblauer Fleck auf dem dunklen Grund des Waldbodens.
    Ihre helle Bluse über der Brust zerrissen. Ihre weit aufgerissenen Augen flehend gegen den leeren Himmel gerichtet.
    Das Lachen der Jungen. Die Rufe, mit denen sie sich gegenseitig anfeuerten.
    Zu Töten konnte so unfassbar leicht sein.
    Younas schob die Gedanken beiseite und startete den Toyota. Es war zehn Minuten nach neun und sein einziger Vorteil lag im Überraschungsmoment. Er hatte nur diese eine Nacht um zu erledigen, was zu erledigen war und mit jedem Nachrichtenblock im Radio, der etwas von einem toten Jungen erwähnte, würden seine Chancen sinken. Doch bisher war nichts über einen toten Jungen gekommen.
    Younas ordnete sich in den Verkehrsstrom der Autobahn ein. Fünf Kilometer weiter fuhr er wieder ab. Links und rechts der Straße ragten die kantigen Silhouetten nächtlich leerer Gebäude eines Gewerbegebietes in den Himmel.
    „ Sein Vater hat im Gewerbegebiet draußen bei der Autobahn eine Wachschutzfirma. Freitagnachts macht er dort den Telefondienst. Ich war schon mal da, er ist bestimmt allein. Die Firma heißt Safe Control. Sie haben ein großes Schild an der Straße.“
    Der Eifer, mit dem der Junge seinen Freund verraten hatte, hatte Younas Ekel vor ihm nur noch gesteigert.

    Ein betonierter Hof und ein zweistöckiges Bürohaus. Im rechten Winkel dazu ein Lager-und Garagenkomplex. Im Erdgeschoss des Bürogebäudes waren vier nebeneinander liegende Fenster beleuchtet. Ein stabiler, drei Meter hoher, von Stacheldraht gekrönter Metallzaun zog sich um Hof und Gebäude. Das Tor zur Straße hin war verschlossen.
    Younas schlug den Mantelkragen auf und warf einen abschätzigen Blick auf Hof, Zaun, Bürogebäude und Stacheldraht. Dann ging er zum Wagen zurück, öffnete den Kofferraum und wühlte in der Werkzeugkiste, die er darin aufbewahrte.
    Eine Drahtschere, drei kleine Tischlerzwingen, ein kleiner Hammer und ein Glasschneider, die zusammen mit Halifs Pistole in Younas weite Manteltaschen wanderten.
    Zurück am Zaun suchte Younas nach dem tiefsten Schatten. Nachdem er ihn gefunden hatte befestigte er die Tischlerzwingen, eine über der anderen wie die Stufen einer Leiter

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