Glashaus
Hawaiihemd. Fünf Jungen, die sich auf Hockern lustlos an mit Strohhütchen verzierten Cocktails festhielten.
Younas war seit Stunden unterwegs. Er hatte zwei Menschen getötet. Er hatte in die Augen dieses knienden Mannes gesehen und immer noch sein Flehen im Ohr. Er war zu diesem Ort gefahren. Er hatte viel Geld ausgegeben, um hier herein zu kommen. Und das alles nur, um sich wie ein Dummkopf von diesem pummeligen Mädchen seine Waffe klauen zu lassen.
Er schwitzte. Er stank. Er war hungrig. Er hatte keine Ahnung wie es weiter gehen sollte. Er brauchte einen Drink.
Die Barfrau schien froh in Younas Ruf einen Grund gefunden zu haben, den trägen Anmachen eines der Jungen auf den Hockern entkommen zu können.
„ Whisky. Cola – zwei Gläser – ja?“
Verwundert sah sie Younas an.
„ Will Scotch in ein Glas – Cola in anderes. Nur ein Eis in Whisky – ja?“
Die Barfrau nickte, lächelte weich, wandte sich ab, suchte Gläser, Eis und eine Scotchflasche zusammen.
Eine Minute drauf: Zwei Gläser auf der Theke.
Younas trank und nickte der Barfrau lächelnd zu.
„ Frage …“
Die Augen der Barfrau zogen sich skeptisch zusammen.
„ Suche DJ, hat rote Haare. Ist Freund von meiner Tochter. Hat bei ihr Führerschein vergessen. Will ihm geben – zurück ja?“
Er war ein 43 Jahre alter Kanake in einem langen dunklen Mantel - aber mit einem leisen Lächeln in den dunklen traurigen Augen. Diese Barfrau war ein paar Jahre zu alt, um gern in einem Laden wie diesem zu arbeiten. Vielleicht war es einfach nur das.
„ Wenn sie nicht gerade auflegen hocken die DJs zusammen in der Garderobe. Ganz oben, durch die Klotür, den Gang bis zum Ende, dann die letzte Tür rechts.“
Younas kippte den Scotch hinunter, spülte gleich darauf mit Cola nach und legte einen Zwanziger auf die Theke.
Die Barfrau deutete eine Verbeugung an, bevor sie den Schein krallte und ohne den Umweg über die Kasse in der Tasche ihrer engen Jeans verschwinden ließ.
Als Younas auf die Empore zurücktrat, meinte er, alles um ihn herum beginne sich zu drehen.
Lichter, Lärm und Hitze. Dazu der Scotch auf leeren Magen. Das Gefühl in einen tiefen, bunten Abgrund zu stürzen. Er blieb stehen und atmete ein paar Mal tief durch. Es wurde besser.
Ganz oben, hatte sie gesagt, durch die Klotür den Gang bis zum Ende, dann die letzte Tür rechts.
Ein Junge in einer, an Knien und Schenkeln zerrissenen Jeans, rief erregt nach dem glatzköpfigen Security, der sich auf halber Treppe suchend umschaute.
Younas Blick blieb auf dem Jungen haften. Sein Instinkt schlug an. Er drängte sich an einer Gruppe Mädchen vorbei, zu dem Jungen am oberen Ende der breiten Treppe durch.
Der Security war schneller. Eine grimmige Geste, die den Jungen zu irgendetwas aufforderte.
Zwei Stufen weiter.
Drei.
Younas war nah genug, um hören zu können, worüber der Junge mit dem Security sprach.
„ Mein Geld, meine Autoschlüssel – alles weg. Was is `n das für `n scheiß Laden, wenn sie einen hier beklauen?“
Der Security blieb ruhig.
„ Wer hat Dich beklaut?“
Der Junge begann aufgeregt herumzufuchteln.
„ Ne Tucke. Fett. Blond. Mit nem langen Mantel. So glänzend, gruftimäßig, verstehste? Hat mich oben an der Bar angerempelt. Dann wollte ich löhnen – da waren meine Asche und der Autoschlüssel weg. Ich will meinen Autoschlüssel zurück, Mann!“
„ Scheiße – schon wieder.“
Der Gorilla wiegte den Kopf. Sah dann mit stechendem Blick den Jungen an. Und griff nach dem Funkgerät an seinem Gürtel.
„ Haste gesehen, wo die Tucke hin ist?“.
„ Nee. Aber hier runtergekommen isse nich. DAS hätte ich gesehen, Mann.“
Die Worte des Jungen flossen durch Younas Hirn. Stauten sich, wurden reflektiert, übersetzt und mündeten schließlich in zwei klar umrissenen Erkenntnissen: Das Mädchen, das den Jungen bestohlen hatte, war dasselbe, das auch seine Pistole hatte.
Doch der Junge irrte sich: Ausgeschlossen, dass sie so blöd gewesen sein sollte, auf der oberen Etage der Disko untätig abzuwarten, bis irgendwer nach ihr suchen kam.
Younas blendete Lärm, Lichter, Rufe und Gerüche um sich herum aus und lief die Treppe wieder hinab.
Sie musste dort unten sein. Der Junge hatte von einem langen Mantel gesprochen, den das Mädchen getragen haben sollte. Nur hatte sie vorhin ein zerfetztes T-Shirt getragen und KEINEN Mantel dabeigehabt.
Irgendwo musste sie sich umgezogen haben. Irgendwo hier musste es einen Ort geben, an den sie sich zwischen
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