Glashaus
kroch in die Augen des Jüngeren.
„ Du bleibst, wo Du bist, Junge”, befahl Haffner.
Haffners Totschlägerhand schloss sich um Boyles Arm.
„ Nur damit’s hier keine Missverständnisse gibt: Das ist `ne Festnahme, Boyle.“
Beckers Schlips hing ungebunden über seiner speckigen Weste und unter den Hosensäumen ragten verschieden farbige Socken hervor. Irgendwer hatte Becker vorm Fernseher weg ins Präsidium geklingelt.
Bulldogge Haffner lehnte mit ausdruckslosem Gesicht neben der Tür an der Wand von Beckers Büro. Boyle saß auf dem Stuhl vor Beckers Schreibtisch und Tommy Graf hockte halb auf einem niedrigen Blechaktenschrank.
„ Hör zu Bulldogge. Solange Du es nicht hieb-und stichfest beweisen kannst, ist mir scheißegal, ob Du in Deinem Bericht schreibst, dass Boyle mit irgendwem von der Presse kungelt. Was mir aber nicht egal ist, dass Du, ohne mich zu informieren, eigenmächtig einen meiner Leute festnimmst und von einer wichtigen Ermittlung abziehst.“
„ Lies doch den Bericht, Becker. Hätte ich weiter zusehen sollen wie dieser Wichser meine Arbeit sabotiert? Ich hab fünf Mordermittler und über dreißig Grüne auf der Straße. Auf `nen inkompetenten Hampelmann kann ich dabei ganz bestimmt verzichten. Und diese schießwütige Schwuchtel hier hat auch noch nichts weiter fertig gebracht als mir mit seiner scheiß Geheimnistuerei sinnlos auf die Nerven zu gehen.“
Tommy Graf sah von seinen Fingernägeln auf, die er all die Zeit, seit er in Beckers Büro marschiert war, angelegentlich gemustert hatte.
„ Bulldogge, Mann, bist ja fast sexy, wenn Du so einen auf Hart machst.“
Keiner hätte sagen können, was Tommy stärker gegen den Strich ging als schießwütig oder als Schwuchtel bezeichnet zu werden.
„ Herr Kriminalrat ich mache hiermit von meinem Recht Gebrauch Sie um ein Gespräch unter vier Augen zu ersuchen.“
Boyle hatte sich erhoben und stand in Hab–Acht-Stellung vor Beckers Schreibtisch.
Stille.
Plötzlich Tommy Grafs Lachen.
Ein pikierter Blick Beckers, der Tommy Graf zur Ruhe brachte.
„ Ich entspreche Ihrem Gesuch.“
„ Setz Dich.“ Becker durchwühlte seine Schreibtischschublade nach der Flasche Cognac, die er für Notfälle darin aufzubewahren pflegte.
„ Ich hab eine Beschreibung unseres Killers. Es ist ein Ausländer. Wörtlich: ein Kanake, um die Vierzig.“
Becker wühlte weiterhin in seinen Schubladen. Verharrte. Sah auf.
„ Und morgen Abend haben wir hier die größte Neonazidichte seit Bestehen der Republik.“
„ So ungefähr ….“
Boyle fiel in Beckers Besuchersessel zurück. Becker hatte den Cognac gefunden. Schraubte den Deckel von der Flasche und trank.
„ Hast Du ein Motiv?“
Boyle schüttelte den Kopf.
„ Zwei gute weiße Mittelstandskinder. Beide drauf und dran im Oktober ihr Studium zu beginnen. Keiner je aufgefallen. Die haben noch nicht mal irgendwo falsch geparkt. Und Tommy Graf wettet 100 zu 1, dass unser Mörder`n Profi ist.“
„ Eines der Opfer ist immerhin der Sohn vom Präsidenten. Schon mal drüber nachgedacht, dass es irgendwas damit zu tun haben könnte?“
„ Ja.“
Becker zog den ungebundenen Schlips unter dem Hemdkragen hervor und warf ihn auf den Tisch.
„ Wir haben über zwanzigtausend junge Ausländer in den Betonghettos. Die werden bestimmt nicht stillhalten, falls zweitausend Neonazis wegen der beiden toten weißen Jungs morgen nach Blut in den Straßen brüllen sollten. Wir brauchen ein gutes handfestes Motiv für die Morde und müssen bis übermorgen früh den Deckel auf dem Fall halten und alles wird gut.“
Boyle steckte sich eine Zigarette an.
„ Hat Bulldogge Recht: Hast Du mit der Abendzeitung gesprochen?“
Boyle stand auf, sah sich nach irgendetwas um, das er als Ascher benutzen könnte.
„ Ja.“
Boyle griff einen Kaffeebecher und setzte sich wieder.
„ Wehalb?“
Boyle aschte ab.
„ Weil ich nicht glaube, was Tommy Graf glaubt. Unser Mann ist kein Profi. Vielleicht war er bei der Armee. Aber er ist kein Gangster. Dafür geht er nämlich viel zu nah an seine Opfer heran. Ein Pistolero oder `n Berufsschläger geht so ein Risiko nicht ein. Ich bin sicher: Der Typ hat ein persönliches Motiv. Und derzeit sehe ich nur einen, bei dem ich danach suchen sollte. Irgendwas an Stiller stinkt. Ich muss wissen was. Aber in diesem Laden hätte es mir keiner gesagt. Nicht mal Du, Becker.“
Becker fuhr zusammen.
„ Du hättest es zumindest versuchen sollen, bevor Du losgehst und
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