Glashaus

Versetzte dem pummeligen Mädchen einen sanften Stoß. Zögernd setzte es sich in Richtung der breiten Treppe in Bewegung.
    Younas schüttelte eine Zigarette aus der zerknüllten Schachtel, trat auf einen breiten glatzköpfigen Jungen zu, bat ihn lächelnd um Feuer und klopfte ihm dann in übertriebener Dankbarkeit freundschaftlich auf die Schulter.
    Ein knapper Blick aus den Augenwinkeln bewies ihm, dass sein Plan aufgegangen war: Das pummelige Mädchen hatte sich nach ihm und dem glatzköpfigen Jungen umgeblickt.
    Völlig ausgeschlossen, dass sie gehört haben sollte, worum Younas den glatzköpfigen Jungen gebeten hatte. Für sie musste er Younas geheimnisvoller Partner sein, der solange vor der Tür des Lagerraums Wache schob, bis sie Younas Forderung erfüllte und den rothaarigen DJ namens Luckas aus seiner Garderobe zum Parkplatz lockte.

    00 Uhr 28. Tommy Graf klappte den Aktendeckel zu. Seit einer halben Stunde ratterten die Gesichter der Jungen auf dem Foto, das Boyle im Haus des zweiten toten Jungen gefunden hatte, durch jede Datenbank über die die städtische Polizei, das Landeskriminalamt und die Bundespolizei verfügten.
    „ In spätestens `ner Viertelstunde haben wir die Namen. Wenn da irgendwas ist, finden wir es.“
    Boyle wandte sich vom Fenster ab.
    „ Bin gleich wieder da.“
    Nächtlich stille Flure. Irgendwo klapperte ein angelehntes Fenster. Ein Streifenbeamter, der Boyle entgegenkam, ihn grüßte und weiterlief.
    Eine Treppe.
    Erdgeschoss.
    Boyle durchquerte die weitläufige Eingangshalle und trat durch eine zweiflüglige Tür in einen halbdunklen Flur.
    Lief ihn hinab.
    Stoppte vor einer Bürotür.
    Drückte die Klinke herab – offen.
    Aktenschränke zwei Schreibtische und ein kitschiges Poster über dem Urlaubsplan an der Wand. Manchmal fragte er sich, wie eine Behörde, deren Mitarbeiter dermaßen wenig Phantasie bei der Gestaltung ihrer Arbeitsräume bewiesen, dennoch ihre Aufklärungsraten von Jahr zu Jahr steigern konnte.
    Auf einem Schreibtisch war ein Telefon. Boyle hob ab und wählte.
    „ Bellini.“
    „ Ich hab nicht viel Zeit.“
    „ Dann die Kurzfassung. Stiller hat …“
    „ Stopp. Ist etwas dran, dass Sie Ihre Rechnungen von Premuda begleichen lassen?“
    „ Ich bin `n großes Mädchen. Ich bezahl meine Miete schon lange selbst.“
    „ Die Sorte Rechnungen meine ich nicht.“
    Zögern.
    „ Wer hat Ihnen davon erzählt?“
    „ Becker.“
    „ Er lügt. Oder jemand hat ihn falsch informiert.“
    „ Ich will nicht missverstanden werden, Bellini: Was immer da zwischen Ihnen und dem Alten läuft, ändert nichts an unserem Deal. Nur muss ich wissen, wer außer Ihnen und mir sonst noch im Spiel ist. Ich riskier hier meinen Job. Und falls ich bloß ein kleines bisschen Pech hab, sogar noch `ne Menge mehr als nur das.“
    Kein Zögern als Bellini antwortete.
    „ Nur Sie und ich. Es sei denn auf Ihrer Seite hätte sich irgendetwas geändert.“
    „ Hat es nicht.“
    „ Noch was, oder kommen wir endlich zum Punkt?“
    „ Fangen Sie an…“
    „ Dann hier das Wesentliche in Kurzfassung. Stiller war der größte Spendensammler seiner Partei bei der Wahl vor zwei Jahren. Vor kaum fünf Jahren war er noch ein kleiner Staatsanwalt mit einer reichen Frau und ein paar eher mittelmäßigen Beziehungen. Dann macht er plötzlich Karriere. Zuerst Abteilungsleiter des LKA, danach kommissarischer Leiter und schließlich Hauptreferent im Innenministerium. Dann vor zwei Jahren treibt er plötzlich all die Spenden auf. Seine Leute machen zwar das Rennen aber trotzdem kommt am Ende für ihn nur ein Posten als Polizeipräsident heraus.“
    Bisher war da nichts, was Boyles Phantasie sonderlich angeregt hätte.
    „ Dumm gelaufen. Aber alles auch nicht gerade sehr spannend.“
    „ Trotz seines fleißigen Spendensammelns fällt unser Freund die Leiter eher runter als rauf . Wundert Sie das nicht?“
    „ Sie meinen er hätte mindestens Innensenator werden sollen?“
    „ Genau.“
    „ Wieso ist er es dann nicht geworden?“
    „ Gegenfrage: Fragen Sie sich nicht, wie viel Kohle Stiller für seine Freunde im Rathaus aufgetrieben hat?“
    „ Jetzt schon.“
    „ Über den Daumen gepeilt dreieinhalb Millionen.“
    „ Nicht übel.“
    „ Oh ja. Für Stiller muss der Tag damals 48 Stunden gehabt haben, weil nämlich keine Einzelspende unter seinen schönen dreieinhalb Millionen über 10.000 Euro liegt. Macht exakt dreieinhalbtausend Einzelspenden. Jede Spende wurde cash eingezahlt. Und für