Glashaus
jede gab’s, wie es sich gehört `ne Quittung. Und das alles innerhalb von nur einer einzigen Woche. In der er, nur mal so nebenbei, auch noch jeden Tag von 9 bis 5 in seinem Büro beim Innenministerium gearbeitet haben will. Diese Rechnung geht nicht auf, Boyle.“
„ Was steckt wirklich dahinter?“
„ Kennen Sie den Mädchennamen von Stillers Frau?“
„ Nein.“
„ Sie ist `ne Braugast. Doch ihre Großmutter war eine astreine Aarlberg. Aus dem wirklich engen Kreis. Die leibliche Schwester des großen Zars und Zampanos Anton Joseph.“
Boyle hatte keine Ahnung wer der große Zar und Zampano Anton Joseph war oder was dessen Nichte mit seinem Problem zu schaffen haben sollte.
„ Keine Ahnung was das für Leute sind.“
„ Nicht wer , Boyle, sondern was . Die Aarlbergs sind in vierter Generation Banker. Und zwar hier, in Lausanne, Paris und New York.“
ADRENALIN.
„ Nehmen wir an, Stiller hat weder die Kohle noch die Spender je gesehen. Nehmen wir weiter an, das Einzige, was ihm von seinen dreieinhalb Millionen je wirklich unter die Finger gekommen ist waren nur Quittungen, die er blind unterschrieben hat. Also ich weiß ja nicht wie Sie das sehen Boyle, aber ich nenn so was …“
„ Geldwäsche. Und Stiller war der Strohmann.“
„ So in etwa.“
„ Haben Sie Beweise? Ich meine auf irgendwen müssen die Quittungen doch ausgestellt gewesen sein.“
„ Das müssen sie – aber bei Einzelspenden bis zu 10.000 Euro ist die Partei nicht verpflichtet die Quittungen länger als ein paar Monate zu archivieren. Beweise? Vergessen Sie’s.“
Boyles Gedanken überschlugen sich. Es gab keine undichte Stelle in Teddy Amins Organisation. Sondern nur einen Polizeipräsidenten mit exzellenten Beziehungen zu einer Familie Schweizer Banker. Beziehungen, die ihm zwar irgendwie Einblick in bestimmte Konten gewährt haben mussten, aber unmöglich so weit gehen konnten, die Informationen, die er sich auf diese Art beschaffte, auch vor einem Gericht auszubreiten.
Kein Banker konnte das riskieren. Gesetze hin oder her, in den Drogen, den Waffen und dem Schmuggel steckte zuviel Geld, als dass die Schweizer es je wagen würden, den Deckel auf ihren Nummernkonten jemals so weit anzuheben, dass darunter selbst jeder kleine Staatsanwalt einen Blick in den Topf mit dem Eingemachten hätte werfen dürfen.
Stiller bluffte.
„ Boyle?“
„ Ich schulde Ihnen was, Bellini.“
„ Ich hab mich für diese Information weit aus dem Fenster gelehnt. Ich hoffe, dass es das wert war. Aber ehrlich gesagt ist da noch etwas, das mir Kopfschmerzen bereitet: Niemand investiert dreieinhalb Millionen für nix.“
Boyle legte den Hörer auf und starrte erschrocken in den kitschigen Inselsonnenuntergang, den die Kollegen an die Wand ihres Büros geheftet hatten.
Bellini lag richtig mit ihren ihre Bedenken.
Keiner investierte dreieinhalb Millionen für nix.
Die Frage war, was es dafür geben sollte. Aber die Frage war außerdem, ob es nicht gerade den Leuten, die Stiller auf seiner Sammeltour ihre Brieftaschen so weit geöffnet hatten, nicht sehr zu pass gekommen war, dass Stiller statt Innensenator bloß Polizeipräsident geworden war. Es konnte sein, dass Stillers mysteriöse Spender bloß ein paar Immobilienspekulanten waren, die sich von Stillers Partei im Rathaus den einen oder anderen Vorteil beim Verkauf der Grundstücke in der neuen Hafencity erwarteten. Aber es gab eben auch noch eine andere Möglichkeit.
Würde es Premuda oder Halif Kahn dreieinhalb Millionen wert sein, einen Polizeipräsident in ihrer Tasche zu haben?
Zweifellos.
Im Grunde wäre das ein Schnäppchen gewesen.
Dreieinhalb Millionen setzten Bosse, wie sie, in einem einzigen Monat allein an Pillen oder Koks um.
Tommy sah vom Schreibtisch auf, nachdem Boyle die Tür ins Schloss geworfen hatte.
„ Becker und Haffner haben drüben gerade die Eltern des zweiten Jungen an der Strippe. Der Vater ist `ne wirklich große Nummer. Er droht mit dem Innensenator und will außerdem, bevor er irgendwas sagt, zuallererst mal heute Nacht noch seinen toten Sohn sehen. Becker muss auf hundertdreißig sein, zumal er in ein paar Stunden nun gezwungen sein wird, Leute zu den Mullahs, den Russen, Türken, Yugos und was weiß ich noch wem rauszuschicken, damit die dafür sorgen, dass ihre jungen Helden morgen Nachmittag zu Hause bleiben, wenn die Nazis nach Blut in den Straßen schreien sollten.“
Boyle hockte sich auf Tommys Schreibtischrand. Sein Gesicht war eine
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