Glashaus
vorbei durch die bläulich schimmernde Schwingtür ins Innere des Clubs schob.
Nichts, das sich hier seit Boyles letztem Besuch verändert hätte. Dieselbe Discokugel, die sich in demselben Tempo an der Decke drehte, dieselbe aus Spiegeln und falschem Holz errichtete Bar, mit genau derselben Sorte Quartalssäufern, Touristen und pflastermüden Nachtschwärmern davor. Zwei Frauen, die sich auf der Tanzfläche seltsam weich zu einem kitschigen Popsong wiegten.
Boyle trat an die Theke und sah sich erfolglos nach Sascha um. Zwei Männer in mittelprächtigen Anzügen stießen neben ihm miteinander an. Boyle entschloss sich für einen Barhocker, pulte seine Kippen aus der Hemdtasche, warf sie auf die Theke und steckte sich eine an.
Durch den Rauch hindurch plötzlich Sascha, die sich am entgegen gesetzten Ende der langen Theke mit einem spitzen Messer über eine Limette hermachte.
Plötzlich und stärker als je zuvor das Gefühl vor einer unüberwindlichen Grenze zu stehen. Etwas ins Auge sehen zu müssen, das alles, was je war und sein würde, für immer relativierte.
Sascha, die sich plötzlich aufrichtete, einem Gast zulächelte, dann die Limettenstücke in ein Cocktailglas gleiten ließ, Rohrzucker dazu gab und nach einer Flasche Pitu griff.
Der ärmellose Seidenrolli unter dem sich ihre Nippel so deutlich abzeichneten, der enge rote Satinrock und dazu die Hochhackigen.
Bloß ein Augenblick. Und doch brannte er sich schmerzhaft tief in Boyles Netzhaut ein. Sascha sah aus wie eines der mittelprächtig teuren Callgirls, die in den Hotels am Stadtrand arbeiteten.
Scheiße – das sollte die Mutter seines Kindes sein? Des Kindes, von dem er nicht mal sicher war, ob er es wirklich wollte?
Dieser billige Nuttenfimmel in den sie sich gewickelt hatte, ihre hervorstehenden Nippel und ihr Hintern in dem engen glänzenden Rock.
Dazu all die Gockel und Vertreter an der Theke, die jedes Wackeln ihres Hinterns mit sabbernden Hundeblicken verfolgten. Boyle stieß seine kaum zu Ende gerauchte Zigarette hart vornüber in den Ascher.
Auf Teddy konnte er genauso gut auch draußen warten. Was ihm immerhin Saschas Anblick zwischen all diesen sabbernden Arschlöchern ersparen würde.
Doch Sascha stellte das Cocktailglas mit Limette, Zucker und Pitu ab und kam erstaunt auf ihn zu. In ihrem Gesicht Verwunderung und – Freude.
Boyle blieb. Wenn auch mehr oder weniger irgendwie gegen seinen Willen.
„ Was machst Du hier?“
Nur ein Flüstern.
Boyles Blick strich so intensiv über ihren weichen vollen Mund in die schräg gestellten grauen Augen. Jeder Rest von Abscheu und Ekel in ihm löste sich in Luft auf. Was übrig blieb, war schmerzlich brennendes Verlangen.
Der Moment zerbrach als am anderen Ende der Theke irgendwer nach seinem Drink rief.
Sascha folgte seinem Ruf, griff das Cocktailglas und ging mit wiegenden Hüften Richtung Thekenende los.
Zwei, drei Barhocker weiter – eine Hand, die sich plötzlich nach ihr ausstrecke und um ihren Arm schloss.
Der dazugehörige Kopf, der hinter den anthrazitfarbenen Anzugrücken der beiden Männer neben Boyle, auftauchte.
Ein schwammig blauer Blick, der sich in Boyles Gesicht verkrallte.
„ He, Kanake hier treten wir unsere Hühner selber.“
Sascha, die sich mit einer eleganten Drehung aus dem Griff des Grauauges löste. „Was anderes als Hühner wirst Du auch nie treten, mein Freund.“
Saschas Lippen verzogen sich zu einem überlegenen Lächeln. Gleich darauf brach rundum Gelächter aus.
„ Bestell Deiner Kleinen, sie hat den Job.“
Boyle fuhr herum.
Da stand Teddy Amin und trug zwar noch immer die abgewetzte Jeans, aber hatte das Karl-Marx-T-Shirt mit einem Button-Down-Hemd vertauscht, an dessen Kragen feine Streifen dunklen Lippenstifts klebten.
„ Du glaubst einfach nicht, wer mich vor ungefähr `ner halben Stunde angerufen hat…“
Boyle schlug gegen den Nieselregen den Kragen der Lederjacke auf. Die Straße vor dem Club war so kalt wie leer und bildete damit genau die äußerliche Entsprechung zu Boyles derzeitigem Gemütszustand.
„ Wer wartet da auf mich, Teddy?“
„ Premuda. Hat mich höchstpersönlich angeklingelt. Aber das hat noch `n bisschen Zeit. Viel wichtiger: Was läuft da zwischen Stiller und Dir?“
Unüberhörbar – in Teddys Stimme lag etwas Lauerndes.
Boyle brauchte ungefähr eine Zigarettenlänge um Teddy mitzuteilen, womit Stiller ihn erpresste. Und was er sich davon versprach.
„ Scheiße Mann, wenn er tatsächlich über
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