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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Enthaltungen mehrheitlich abgesegnet wurde. Der Vorsitzende räumte seine Folien weg und widmete sich jetzt den dicken Wälzern mit den Bahnunterlagen. »Beim nächsten Punkt«, fuhr er sachlich fort, »gedenken wir Herrn Werner Heidenreich, der in der gestrigen Nacht durch ein Verbrechen ums Leben gekommen ist.«
    Die Augen der anderen hingen an seinen Lippen. Nur der Langhaarige starrte unablässig in sein Weizenbierglas.
    »Herrn Heidenreich«, erläuterte Schloz, »haben wir durch seine engagierte Art kennengelernt, aber auch durch sein fundiertes Wissen.« Er blickte in die Runde, als wolle er andeuten, dass er so etwas gelegentlich vermisse. »Wir werden Herrn Heidenreich ein ehrendes Andenken bewahren«, beendete er die kurze Gedenkminute, während der sich einige der Mitglieder süffisant mit den Augen zugezwinkert hatten.
     
    Sander hatte lange überlegt, ob er offiziell an der Sitzung dieses Arbeitskreises teilnehmen sollte, zu der er als Pressevertreter stets eine Einladung erhielt. Doch dann war beim Vorbeifahren am ›Lamm‹ sein Blick auf einen Geländewagen gefallen, der sofort seine Aufmerksamkeit erregte: Schwarz, Mercedes, Esslinger Kennzeichen mit der Buchstaben- und Zahlenkombination, die ihm noch genau im Gedächtnis war. Er drehte um und parkte etwa 50 Meter davon entfernt am Straßenrand. Sander beschloss, auf den Fahrer des Geländewagens zu warten. Falls der jedoch dort übernachtete, war es natürlich sinnlose Zeitverschwendung. Doch, so konstatierte er, würde wohl kaum jemand mit Esslinger Kennzeichen hier so kurz vor der Heimat nächtigen wollen. Das konnte also nur zweierlei bedeuten: Entweder war der Besitzer des Wagens ein Gast im Lokal oder – eher unwahrscheinlich – ein Beschäftigter, der es wagte, auf dem Kundenparkplatz zu parken.
    Im Auto war es heiß, denn die Sonne hatte sich nach dem Hagelunwetter längst wieder durchgesetzt und war eben erst hinter dem großen Dach eines landwirtschaftlichen Anwesens verschwunden. Eine junge Frau, die mit Kinderwagen die sanft abfallende Straße herabkam, beäugte Sander in seinem Pkw kritisch. Er überlegte, dass es noch gut eineinhalb Stunden hell sein würde und vermutlich noch mehr Menschen auf ihn aufmerksam würden. Er ließ alle vier Seitenfenster herunter, drückte im Radio die Programmtaste seines Lieblingssenders SWR 4, in dem gerade Edi Graf ausnahmsweise montags die ›Abendmelodie‹ moderierte, und lehnte sich gemütlich im Fahrersitz zurück. Er brauchte jetzt Geduld, denn nur, wenn er sah, wer in diesen Geländewagen stieg, hatte er eine Chance, zu erfahren, wer der Unbekannte in der vergangenen Nacht tatsächlich war und von wem die Dokumente stammten. Den ganzen Tag über war Sander unschlüssig gewesen, ob er sich Häberle oder Watzlaff anvertrauen sollte, weil sie auf diese Weise schnell den Halter des Fahrzeugs hätten feststellen können. Für einen kurzen Moment hatte er noch in Erwägung gezogen, einen befreundeten Versicherungsagenten zu fragen, ob er unter dem Vorwand, die Daten eines Unfallverursachers zu benötigen, an den Halter des Geländewagens kommen könnte. Doch dann erschien ihm zum einen auch dies wenig Erfolg versprechend, und zum anderen hätte sich der Versicherungsagent angesichts des Mordfalls, über den Sander in der heutigen Ausgabe der Tageszeitung berichtet hatte, sicher seine Gedanken gemacht. Womöglich schreckte Ziegler nicht einmal davor zurück, die Bevölkerung aufzurufen, die Beobachtung eines verdächtigen Fahrzeuges in der Nacht zum Montag im Bereich Wasserberg und Burren zu melden. Sander schloss die Augen und lauschte einem deutschen Schlager, als oben von der Ortsdurchfahrt zwei Pkw abbogen – ein älterer Polo und ein mindestens ebenso alter Mercedes. Sie stoppten kurz vor dem Parkplatz, stellten wohl fest, dass es keine freien Flächen mehr gab, und kamen näher. Sander griff in seiner Verlegenheit nach einer alten Zeitung, die auf dem Beifahrersitz lag, und schlug sie hastig auf, um sich gegen die Blicke durch die Windschutzscheibe zu schützen. Langsam fuhren die beiden Autos an ihm vorbei, und im Rückspiegel verfolgte er, wie sie schließlich weit hinter ihm am Straßenrand anhielten. Bereits als die beiden Fahrer, die jeweils allein in ihren Autos unterwegs waren, ausstiegen, glaubte er, sie an ihrer Silhouette zu erkennen. Er kniff die Augen zusammen, um sie besser sehen zu können. Er stellte seine Brille, die er normalerweise nur für die Arbeit am Computer

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