Glasklar
Recherchen gegeben zu haben?«
Die beiden Meinländers sahen sich wieder an, schwiegen aber weiter.
»Herr Heidenreich«, fuhr der Kriminalist fort, »hat sich möglicherweise sogar mal mit Ihnen in Verbindung gesetzt. Dienstlich.«
Meinländers Gesichtsfarbe wurde fahl. Seine Frau legte ihr kleines Messer in das orangefarbene Plastiksieb mit den unbearbeiteten Erdbeeren und wischte sich mit einem Tuch den roten Saft von den Fingern.
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Meinländer vorsichtig nach.
»Heidenreich«, so fuhr Speckinger fort, ohne die Frage zu beantworten, »war insbesondere für den Kreis Göppingen zuständig und hat wohl unter anderem den Auftrag gehabt, Ihre Erbschaft … ja, … zu überprüfen.«
Meinländer verschränkte die Arme, was Speckinger als Ausdruck einer inneren Abwehrhaltung interpretierte. Die Frau aß verlegen eine Erdbeere.
»Es soll um reichlich Geld gegangen sein«, erklärte der Kriminalist. »Geld, das merkwürdigerweise vor einem halben Jahr bar abgehoben wurde, wie die Steuerfahndung nachvollzogen hat. Ich kenne mich natürlich mit dem ganzen Themenkomplex Erbschaftssteuer und was damit so zusammenhängt überhaupt nicht aus. Aber irgendwie ist nicht alles korrekt gelaufen.« Speckinger trank das Glas Mineralwasser leer und gab dem Ehepaar Meinländer die Chance, sich zu seinen Ausführungen zu äußern.
Der Pensionär versuchte ein zaghaftes Lächeln, das jedoch sofort wieder einfror. »Ich erhalte also eine Erbschaft«, begann Meinländer zynisch, »hebe das Geld ab, schaffe es im schwarzen Koffer nach Liechtenstein und bringe den Steuerfahnder um.«
»Jetzt führt das aber zu weit!«, gab er sich entrüstet. »Uns geht es doch nur darum, Heidenreichs Umfeld abzuchecken.«
»Und wir gehören dazu – weil wir uns was Schönes gekauft haben?«
»Herr Heidenreich hat sich mit Ihnen befasst – das ist unstrittig. Was haben Sie sich denn gekauft, wenn ich fragen darf?«
»Gekauft gar nichts – nur treuhänderisch verwaltet.«
»Ach?«
Frau Meinländer ließ sich noch eine Erdbeere schmecken und beobachtete die beiden Männer gespannt.
»Eine entfernte Verwandte, alleinstehend, ist gestorben«, fuhr der Pensionär jetzt fest entschlossen fort. »Mangels eines anderen Kontos wurde ihr Nachlass auf mein Konto überwiesen. Das hat sie so festgelegt. Ich musste es dann an eine gemeinnützige Einrichtung weiterreichen.«
»Weiterreichen«, echote der Kriminalist. »Nicht überweisen, wenn ich das richtig interpretiere.«
»Nicht überweisen, nein«, räumte Meinländer ein.
»Sondern?«
»Bar übergeben. Das hat meine Verwandte so verfügt.«
»Darf ich fragen, um welchen Betrag es sich gehandelt hat?«
»780.000 Euro.« Meinländer sprach es aus, wie dies ein Buchhalter tut, wenn er über eine Bilanz referiert.
»Ganz schön viel Geld«, meinte Speckinger und rechnete es, um sich den wahren Wert besser vor Augen führen zu können, gedanklich wie immer in D-Mark um.
»Ja, ganz schön viel.«
»Und das haben Sie dann bar abgehoben, es in einen Koffer gepackt – und wohin gebracht?«
Meinländer holte tief Luft. »Einer gemeinnützigen Organisation übergeben, die ich nicht nennen will und darf. Auch das hat meine Verwandte so verfügt.«
»Gemeinnützige Organisation«, wiederholte der Kriminalist leicht ärgerlich. »Rotes Kreuz, Feuerwehr, Caritas, Brot für die Welt – oder Umweltschutz?«
»Tut mir leid«, blieb Meinländer standhaft. »Ich halte mich an das Vermächtnis meiner Verwandten.«
»Und Sie haben nicht die Sorge, irgendjemand könnte kommen und behaupten, Sie hätten das Geld für sich behalten?«
»Sie denken von Berufs wegen nur ans Böse im Menschen.«
»Aber jetzt haben Sie gewaltig Ärger mit dem Finanzamt – wegen der Erbschaftssteuer und sonstiger Dinge«, gab Speckinger zu bedenken.
»Das mag sein«, blieb Meinländer gelassen, worauf auch aus dem Gesicht seiner Frau die Anspannung wieder etwas wich.
»Deshalb hat Herr Heidenreich mit Ihnen Kontakt aufgenommen?«
»Er hat mal einen Brief geschrieben und um eine Stellungnahme gebeten – mehr nicht.«
»Und als Sie ihn am Samstagabend getroffen haben, da wurde nicht darüber geredet?«
»Nein. Hätten wir das tun sollen? Nachts am Lagerfeuer?«
»Nicht am Lagerfeuer, aber vielleicht am Rande – oder danach.«
Meinländer zuckte zusammen. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Nichts, gar nichts«, entgegnete Speckinger. »Aber vielleicht noch eine letzte
Weitere Kostenlose Bücher