Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)
Barhocker auf.
»Das weiß ich doch längst. Chris hat mir schon vor einigen Minuten davon erzählt.«
Niedergeschlagen senkte Camilla den Kopf. »Wie lang habe ich geschlafen?«
»Ungefähr zwanzig Minuten«, sagte Chris mit einem Blick zu der Küchenuhr.
Die Hitze hatte ihm geschadet. Seine fahle Haut wies rote Flecken auf. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten.
Melanie, die Chris gegenübersaß, glitt vom Barhocker. Sie wies auf den offenen Durchgang zum Flur.
»Unter die Dusche mit euch beiden und dann ins Bett.«
»Gern.« Christoph klang erschöpft.
»Zeig Camilla das Bad. Ich mache euch Chris’ Zimmer fertig.«
Camilla empfand tiefe Dankbarkeit. »Ich bin so fertig, dass ich eine Woche durchschlafen könnte.«
Melanie nickte verständnisvoll. »Das glaube ich dir nur zu gern.«
Die Zeit zwischen Dusche, dem Weg zu Chris’ Zimmer und dem Bett konnte sie nicht mehr rekonstruieren. Camilla war einfach nur glücklich, sauber zu sein, und sich in ein weiches, sauberes Bett fallen lassen zu können. Chris lag neben ihr, nackt, nass von dem Wasser. Der Geruch seiner Haut verfolgte sie bis in den Schlaf. Dieses Mal war sie viel zu erschöpft, um mental irgendeinem magisch begabten Wesen eine Angriffsfläche zu bieten.
Als sie erwachte, fühlte sie sich träge und erholt. Unten in der Küche hörte sie Melanie arbeiten. Chris lag halb über ihr und regte sich nicht. Sein Körper verströmte eine erschlagende Hitze. So tief und ruhig, wie er atmete, schlief er noch fest. Sie streichelte ihm durch das blonde, struppige Haar.
Christoph war keineswegs eine ausnehmende Schönheit. Dazu war sein Gesicht zu breit, sein Mund zu voll, seine Nase zu groß und seine Augen zu kindlich. Trotzdem existierte kein wunderbarerer Mensch, den sie mehr liebte.
Sanft küsste sie seine Wange. »Schlafmütze.«
Sie verdrehte sich, um zum Fenster zu sehen. Es überraschte sie nicht, dass die Sonne bereits wieder sank. Warmes Licht fiel durch die Blätter des großen Kirschbaums im Garten und malte sanfte, grüne Muster auf das helle Parkett. Durch das gekippte Fenster strömte frische Luft herein. Der Duft nach Obst und Blumen wehte zu ihr. Sie genoss die Ruhe des Moments. Seit Tagen fühlte sie sich zum ersten Mal sicher und geborgen. Weder Monster noch psychisch gestörte Polizisten jagten sie. Zum ersten Mal konnte sie frei atmen und den Luxus der Moderne nutzen. Dennoch gab es etwas, das wichtiger war als alles andere. Chris.
Camilla schloss die Augen und stellte sich vor, wie schön es wäre, wenn er mit ihr nach Frankfurt ziehen würde. Sie bezweifelte, dass ihre Eltern auf Anhieb mit der Partnerwahl ihrer Tochter einverstanden sein würden. Für sie gab es keinen anderen Mann mehr. Er war ein Teil ihres Lebens, im wörtlichsten Sinn. Ein Schauder rann über ihren Rücken. Sie teilte sich mit ihm ein Leben. Im Umkehrschluss bedeutete es nichts anderes als eine Bindung bis zum Tod, der sie auch nur gemeinsam ereilen konnte. In ihrer Fantasie zeigte sie ihm all die Plätze in Frankfurt, die sie besonders liebte. Sie würden zusammen am Mainufer, nah des Eisernen Stegs auf der Wiese sitzen. Vielleicht schlenderten sie auch gemeinsam durch die kleinen Seitengassen am Römer oder sahen sich die Skulpturen im Garten des Liebieg -Hauses an.
Sie träumte sich mit Chris an die kleinen Teiche hinter Rödelheim, kurz vor Nied . Dort war es dank der Wälder auch im Sommer angenehm kühl. Camilla dachte an den Geruch harzigen Holzes und frischen Bärlauchs, der im Frühling dort wuchs. Sie wollte ihm zu gern ihre Welt zeigen, die zwischen Bank-Towern, Museen und den verträumten Vororten des Taunus und Frankfurt lag.
Sie seufzte glücklich. Mit einer Hand strich sie über seinen Nacken und seine Schultern.
»Ich liebe dich.«
Chris regte sich leicht und schmiegte seinen Körper enger gegen Camillas. Sie spürte, dass er erregt war. Behutsam rieb er sich an ihrer Hüfte, während seine Fingerspitzen langsam über ihre Taille glitten. Seine Hand blieb zwischen ihren Brüsten liegen. Ihr Herz schlug schneller. Sie genoss die Hitze, die er in ihr weckte. Zärtlich streichelte er ihre Haut, ohne ihren Busen zu berühren. Sein heißer Atem strich über ihren Hals. Die feinen Härchen stellten sich auf. Erregung durchdrang ihren Körper. Leise seufzte sie.
Melanie wäre sicher nicht glücklich, wenn sie hier miteinander schliefen. Der Gedanke zuckte durch ihren Körper und hinterließ reine Lust. Hitze ballte sich in ihrem Schoß.
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