Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)
ausmachte.
Leider nahm sie nichts von seinen Informationen wahr. Die Eindrücke entzogen sich ihr.
Kalter Schweiß rann über ihre Stirn und vermischte sich mit ihren Tränen. Sie konnte ihn nicht länger ertragen! Schützend schlang sie beide Arme um ihren Kopf und versuchte, ihn wieder auf normale Maße zurückzudrücken. Der Gegenschmerz half nicht. Entsetzt keuchte sie. Sie fühlte betäubende Ohnmacht nahen.
Von einem Moment zum nächsten war alles vorüber. Sie war allein. Die plötzliche Leichtigkeit ihres Körpers nahm ihr das Gleichgewicht. Ohne in der Lage zu sein, sich abzufangen, fiel sie auf das kochende Pflaster. Reglos blieb sie liegen und starrte in den blauen Sommerhimmel. Die Hitze berührte sie nicht mehr, ebenso wenig wie die Erschöpfung. Sie lag einfach nur da, alle Glieder von sich gestreckt und erleichtert.
Ihre Umgebung verlor an Bedeutung. Sie begann alles um sich zu vergessen. Das Gefühl wirkte wie Balsam. Glück erfüllte sie.
Camilla spreizte die Arme und Hände. Mit den Fingerspitzen berührte sie etwas. Vor ihrer Hand lag das seltsame Fernrohr, das der Mann so krampfhaft in seiner Hand umklammert hielt.
Sie griff danach. Es rollte von ihren Fingerspitzen fort, gegen die Hand des Leichnams. Kurz blieb es liegen, bevor es wieder auf sie zukam. Langsam hob sie es an und betrachtete den kupfernen Schaft und die Messingeinfassungen an Okular und Linse. Sie drehte es nachdenklich, bevor sie das Fernrohr ansetzte und hindurchsah.
Mit einem Schrei warf sie es von sich.
Trotzdem war es zu spät!
Sie lag nicht mehr auf dem Vorplatz des Museums, sondern auf dem Operationstisch des Sandmanns.
Kapitel 15
Besuch
I n Camillas Schläfen pochte das Blut. Hitze brannte auf ihrer Haut. Sie spürte Christophs Arme, die sich beschützend um sie geschlungen hatten. Nicht weit entfernt hörte sie spielende Kinder. In der Luft lag der verführerische Duft nach gegrillten Würstchen. Jemand rief einen Namen und eine Frauenstimme antwortete. Ganz in der Nähe aktivierte sich ein Rasensprenger und gab in gleichmäßig zischenden Intervallen Wasser ab. Etwas weiter entfernt mähte jemand. Der Duft frischen Grases mischte sich in den Grilldunst. In der Ferne hörte sie das leise, sonore Motorengeräusch eines näher kommenden Wagens. Das Echo von hohen Absätzen auf Estrich hallte aus der Garage neben dem Haus. Kam Melanie? Sie hob die Lider. Gerade rechtzeitig, um die Ärztin zu sehen, die erschrocken stehen blieb.
Sie fuhr sich durch die Haare, bevor sie eilig die Stufen hinaufstieg. Vor Camilla und Chris blieb sie stehen. »Was macht ihr denn hier?« In ihrer Stimme schwangen Sorge und Überraschung mit.
Camilla befreite sich vorsichtig aus ihrer Schlafposition an Christophs Brust.
»Schön, dich zu sehen«, sagte Chris mit einer Spur Ironie.
»Kommt erst mal rein.« Sichernd sah Melanie sich um, während sie ihren Hausschlüssel zückte.
»Wie lang seid ihr schon hier?«
Chris zuckte mit den Schultern.
Melanie ging in die Hocke. Als sich ihre Hand auf Camillas Stirn legte, trat Sorge in den Blick der Ärztin. Christoph schob ihre Finger fort, als sie seine Temperatur fühlen wollte.
»Für den Kinderkram haben wir gerade keine Zeit, okay?«
»Benimm dich nicht affig, Chris.« Als sie sich erhob, fügte sie hinzu: »Ihr seid beide gut überhitzt. Raus aus der Sonne, klar?«
Wieder spürte Camilla das warme, mütterliche Gefühl, das die Ärztin verströmte. Melanie nahm in jeder Weise bei ihr eine Sonderstellung ein.
»Wir müssen dringend mit dir reden. Du bist zurzeit die einzige Person, der wir vorbehaltlos vertrauen.«
Nach einer halben Flasche Wasser und zwei Käsebroten ging es Camilla wieder etwas besser. Trotzdem fühlte sie sich so erschöpft wie nach ihrer Flucht in die Katakomben Berlins. Alle Erlebnisse, die seit heute früh auf sie eingestürzt waren, forderten ihren Tribut. Sie saß neben Chris an einer modern-eleganten Küchenbar. Während er Melanie über die jüngsten Ereignisse und Erkenntnisse in Kenntnis setzte, nickte sie immer wieder kurz ein. Camilla sehnte sich nach einer Dusche und einem Bett.
Eine kühle Hand rüttelte sie behutsam wach.
Sie riss die Augen auf. »Bin wach, bin wach.«
Eben hatte Chris noch etwas von Nathanaels halb menschlichen Dienern gesagt. Das Stichwort half ihr, so zu tun, als wäre sie nicht eingeschlafen.
»Grimm ist halb Mensch, halb Maschine.«
Melanie betrachtete sie besorgt. Ertappt richtete Camilla sich auf dem
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