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Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Titel: Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Meurer
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war.
     

Kapitel 6
    Das Gerichtsbuch
     
     
    C amilla hatte selten so tief und entspannt geschlafen. Das Bewusstsein, nicht allein zu sein, gewährte ihr Frieden.
    Chris lag dicht neben ihr. Im Schlaf hatte er seinen Arm um sie geschlungen und den Kopf an ihre Schulter geschmiegt. Seine Bartstoppel rieben durch den Pulli, aber sein ruhiger, gleichmäßiger Atem sorgte dafür, dass Camilla noch einmal die Augen schloss und in einen angenehmen Dämmerzustand fiel.
    Erst als Chris hochschreckte, zwang sie sich, die Lider zu heben.
    Sie musste lächeln, als er sich die Augen rieb und sie anblinzelte. Das Bild einer Schildkröte, die unter ihrem Panzer hervorspähte, schlich sich in ihren Kopf. Er wirkte nicht besonders ausgeschlafen, denn seine Lider schlossen sich ganz langsam wieder, während er sich unter der Decke ausstreckte.
    »Guten Morgen.«
    Erneut blinzelte er, als hätte er in grelles Licht geblickt. »Wach?«, fragte er undeutlich.
    Camilla nickte. »Du scheinbar noch nicht.«
    »Nicht wirklich«, murmelte er, während ihm die Augen wieder zufielen.
    Camilla gab ihm einen Rippenstoß. »Aufstehen, frühstücken?«
    »Weißt ja, wo die Küche ist …«
    Sein Arm lag noch immer über ihrer Taille.
    »Klar, Faultier!« Sie rollte sich so, dass sie ihn wegschieben konnte. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie eng das Sofa selbst in auseinandergeklapptem Zustand war. Aber die Erkenntnis kam einen Moment zu spät. Chris’ Augen weiteten sich entsetzt, als er über den Rand kippte und die Decke mit sich riss. Mit einem lauten Plumpsen schlug er auf dem Boden auf. Camilla setzte sich auf. Er lag auf dem Rücken, Arme und Beine von sich gestreckt.
    »Glückwunsch, du hast mich erlegt.« Er grinste.
    Camilla betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. Er trug noch immer seine giftgrünen Hosen und die dicken Socken, war aber sonst unbekleidet. Sein Oberkörper war muskulös, sein Becken schmal und die Beine ziemlich lang.
    Seine Nähe elektrisierte ihren Körper. Eine Spannung baute sich zwischen ihnen auf, die sie beide forcierten und genossen. Die Vertraulichkeiten, die Chris ihr entgegenbrachte, hätte sie bei keinem anderen zugelassen.
    Sie hielt ihm die Hand entgegen. »Dann komm erst mal wieder auf das Bett, mein Opfer.«
    Chris ergriff ihre Finger. Dann setzte er sich plötzlich kerzengerade auf und lauschte.
    Sie tat es ihm gleich, hörte aber nichts Besonderes. Draußen redeten einige Leute miteinander, aber sie zog keine besonderen Inhalte aus den Worten.
    »Was hast du?«
    Etwas hatte sich in seiner Mimik geändert. Eine Mischung aus Wachsamkeit und Anspannung hatte ihn ergriffen.
    »Amadeo will uns sehen.«
     
    Camilla ging neben Chris durch die Gassen, die sich zwischen den versunkenen Häusern gebildet hatten. An einigen Wänden hingen Laternen, die den Weg ausleuchteten. Hinter den Fenstern brannte Licht. Sie sah geschäftig hin und her huschende Schatten jenseits der Gardinen. Auf der Straße begegnete sie zum ersten Mal weiteren Menschen. Sie unterschieden sich nur gering von den Personen an der Oberfläche, eines hatten sie jedoch alle gemein: Sie waren blass. Ihre Haare wirkten farbloser und ihre Augen waren ähnlich groß und dunkel wie Chris’. Zum ersten Mal fiel Camilla auf, dass sie bei keinem die Augenfarbe bestimmen konnte. Selbst wenn sie ihr so nah kamen, dass Camilla sie berühren konnte, war es völlig unmöglich in dem schlechten Licht.
    Was sie irritierte, war die Art der Kleidung. Einige bevorzugten archaische Hosen und Gehröcke, andere passten sich der modernen Welt oben an.
    Ausnahmslos begegneten sie Chris herzlich, fast ehrerbietig, und Camilla gegenüber freundlich oder unbesorgt. Diese Leute trauten keinem etwas Böses zu, der es bis in das Herz der Stadt geschafft hatte. Eine entsprechende Frage verkniff sie sich dennoch. Sie beschloss, mehr zu beobachten und darauf zu warten, dass Chris von sich aus das Bedürfnis bekam, sich ihr mitzuteilen.
    Nachdem sie eine breite Straße hinter sich gelassen hatten und in eine Gasse mit einfachen, aber hohen Wohnhäusern aus Bruchsteinen einbogen, blieb Chris stehen. In seinem Mundwinkel hing die obligatorische Zigarette, die er noch nicht angezündet hatte.
    »Wo sind deine Fragen?«
    »Nach deiner Ansprache gestern Nacht warte ich lieber auf deine Antworten«, konterte Camilla.
    »Ach nee«, rief er mit gekünstelter Überraschung, grinste dann aber. »Die Kleine ist lernfähig.«
    Camilla versetzte ihm einen Tritt gegen das Schienbein.

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