Glaub nicht es sei vorbei
seinem Charme schon jetzt kaum widerstehen. Bisher hatte es mit der Romantik ja noch nicht ganz so geklappt. Männer wussten nichts anzufangen mit ihrer »Gabe«, hatten immer Angst, dass sie ihre Gedanken lesen könnte, was ihr jedoch nicht möglich war. Überdies hatte Clay sich sein Leben in Sinclair aufgebaut, und sie konnte in Sinclair nicht mehr leben, schon gar nicht, wenn sie auch noch Todd verlieren würden.
»Hast du dir schon überlegt, ob du mich morgen zu meinen Eltern begleiten willst?«, fragte Clay
»Ich finde wirklich, dass Geburtstage Familienangelegenheiten sind.«, erwiderte Rebekka und klang spröder, als es ihre Absicht gewesen war. »Und ich bin ja auch nicht eingeladen.«
»Ich gebe meiner Mutter Bescheid. Sie soll dich kurz anrufen.«
»Nein. Bitte. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich kann wirklich nicht.«
»Verstehe.« Clay klang ein wenig ernüchtert. »Ich habe nicht bedacht, dass dir im Augenblick wahrscheinlich nicht nach Party zumute ist. Wir unterhalten uns später, okay?«
»Ist gut. Wiedersehen, Clay.«
Sie legte auf und fühlte sich elend. »Die Eisprinzessin meldet sich zurück«, sagte sie laut und war ärgerlich auf sich selbst. Sie mochte Clay. Mehr als das. Und doch hatte sie ihn abgewimmelt wie einen lästigen Hausierer. Nach allem, was er für sie getan hatte. Trotz ihrer Gefühle für ihn. Sie musste sich bei ihm entschuldigen. Aber was sollte sie sagen? »Tut mir Leid. Ich bin verrückt nach dir, aber das macht mir eine Heidenangst. Also geh weg und überlass mich meiner Einsamkeit.«
»Zum Teufel«, sagte sie laut. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Sean zu ihren Füßen lag. Er blickte zu ihr auf und legte den Kopf schief.
»Du hast schon richtig gehört. Zum Teufel mit der Romantik.«
Rebekka irrte ungefähr zwanzig Minuten ruhelos durchs Haus. Dann dachte sie daran, dass Frank Clay zufolge sehr mitgenommen aussah und trotzdem in der Hitze auf Esthers vier Hektar großem Grundstück herumspazierte. Sie wusste nicht genau, ob heute jemand dort arbeitete. Wenn Frank einen zweiten Herzanfall hätte, würde er ganz allein sein.
Sie nahm Seans Leine. »Wie wär's mit einer Spazierfahrt zur Gärtnerei?« Sie fand Betty in der Küche. »Frank ist zu Esther rausgefahren. Ich werde mal nach ihm sehen. Würdest du von Zeit zu Zeit nach Mutter sehen? Sie ist in einem erbärmlichen Zustand. Ich möchte zwar, dass mich das kalt lässt, aber ich mache mir Sorgen.«
Betty lächelte. »Natürlich tust du das. Sie ist deine Mutter und du hast sie gern. Ich werd schon nach ihr sehen«, sagte sie. »Und du kümmerst dich um Mr. Hardison. Noch mehr Aufregung kann diese Familie nicht mehr gebrauchen.«
Anstatt die Klimaanlage einzuschalten, kurbelte Rebekka die Fenster herunter. Sean streckte den Kopf hinaus, ließ sich den Wind durchs Fell blasen, dass die Ohren nur so flogen, und hatte sein glückliches Grinsen aufgesetzt. Rebekka wünschte, sie selbst könne auch lächeln, aber sie musste immerzu an Todd denken. Würde er allein und voller Angst sterben? Oder war er bereits tot? Sie schauderte, als sie an seine fröhlichen zimtfarbenen Augen dachte, an sein herzerfrischendes Lachen, seine unendliche Neugier, seine Lebensfreude. Esther war zutiefst gläubig und der festen Überzeugung, dass alles, egal, was es war, seinen Sinn hatte. Rebekka wünschte, sie könnte den Sinn von Todds Entführung begreifen. Aber das konnte sie nicht. Was hatte es für einen Sinn, eine kleine, glückliche Seele wie Todd all der Lebensjahre zu berauben, die noch vor ihm lagen?
Sie war so tief in Gedanken versunken, dass sie beinahe die Abzweigung nach Whispering Willows übersehen hätte. Der Regen vor ein paar Tagen hatte nach der langen Dürrephase nicht viel Wirkung gezeigt, und der Thunderbird wirbelte einigen Staub auf. Bald sah sie das stattliche weiße Gebäude vor sich aufragen, und davor stand Franks Mercedes.
Rebekka parkte ihren Wagen gleich dahinter. Als sie an Franks Wagen vorbeiging, fiel ihr auf, dass das Standlicht noch brannte.
Er musste versehentlich an den Schalter gekommen sein, dachte sie. Sie öffnete die Fahrertür, beugte sich hinein und warf einen Blick aufs Armaturenbrett. Das war ja wie im Cockpit eines Jets. Wie viele Extras hatte denn dieser Wagen? Während sie die verschiedenen Hebel, Knöpfe und Schalter inspizierte, drängte sich Sean an ihr vorbei und machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem. »Wir fahren nicht weg, Sean«, sagte sie zerstreut.
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