Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glaub nicht es sei vorbei

Glaub nicht es sei vorbei

Titel: Glaub nicht es sei vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlene Thompson
Vom Netzwerk:
Besseren wenden können als an Bill Garrett. Er würde Großvater beruhigen und ihn dazu bringen, nicht mehr auf dem Dachboden herumzugeistern, wenn es überhaupt Großvater gewesen war, den er Samstagnacht gesehen hatte. Am Nachmittag war er nämlich nicht mehr sicher gewesen, ob es tatsächlich Großvater gewesen war, der da oben sein Unwesen getrieben hatte. Aber leider wollte Chief Garrett nichts gegen das Mädchen mit dem zweiten Gesicht unternehmen, weil er mit ihr verwandt war. Nein, Skeeter würde sich selbst um die Sache kümmern müssen, dieses Mädchen notfalls aus der Stadt scheuchen ... Es würde ihm schon etwas einfallen.
    Skeeter betrat den nach hinten versetzten Eingangsbereich von Vinsons Drogeriemarkt, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Mauer und ließ sich langsam zu Boden gleiten. Seine mageren Knie stachen beinahe durch den dünnen Stoff seiner Hose. Bis der Winter kam, würde er etwas Wärmeres auftreiben müssen. Father Brennan fand für gewöhnlich immer das Passende für ihn.
    Seine Hände zitterten, weil er wegen all der wichtigen Erledigungen noch nicht zu seinem Abendtrunk gekommen war. Er schraubte die Weinflasche auf und genehmigte sich einen langen, befriedigenden Zug und dann noch einen. Heute Nacht konnte man die Sterne sehen. Bevor das Ryan-Mädchen hellsichtig geworden war und er angefangen hatte, sich vor ihm zu fürchten, war es hin und wieder mit Chief Garrett in den Park gekommen und hatte mit Skeeter geplaudert. Es hatte ihm erzählt, dass die Sterne in der Nacht Bilder formten, von Bären und Kühen, aber das hatte er nicht verstanden. Aber hübsch waren sie, glitzerten wie die Brillanten im Schaufenster des Schmuckgeschäfts. Das Ryan-Mädchen hatte ihm auch erzählt, dass das Licht der Sterne aus längst vergangenen Zeiten käme. Sie hatte gesagt, dass die Sterne so weit weg seien, dass ihr Licht Jahre bräuchte, um Sinclair zu erreichen. Aber auch das ergab für Skeeter keinen Sinn. Er glaubte, sie habe ihn nur auf den Arm nehmen wollen. Vielleicht war sie ja damals auch schon böse gewesen.
    Er genehmigte sich noch einen Schluck Wein. Abgesehen von dem ausländischen Kuchen hatte er nichts im Magen, und so stieg ihm der Wein ziemlich schnell zu Kopf. Wenn er die Augen zusammenkniff, schienen die Sterne zu tanzen. Er sah wieder zum Hotel Dobbs hinüber. Um 19.01 Uhr hatte er wie üblich seinen Großvater auf den Gehsteig stürzen sehen. Er war es längst gewohnt, dass dies außer ihm niemand zu bemerken schien, und nahm es nicht weiter tragisch. Trotzdem war er immer erleichtert, wenn der Sturz vorbei war.
    Jemand kam die Straße entlang, direkt auf ihn zu. Er strengte seine Augen an, aber es war dunkel, und die Person hielt den Blick gesenkt. Skeeter konnte Jeans erkennen und irgendeine Jacke — kein feines Anzugsakko wie das seine —, grell blau war sie und aus Nylon. Früher konnte man einmal Männer von Frauen unterscheiden. Jetzt trugen alle Jeans und diese riesigen weißen Treter, die sie Turnschuhe nannten, obwohl er noch keinen darin hatte turnen sehen. Und die Mädchen waren alle schrecklich groß. Einmal hatte ihm Sonia Ellis erzählt, dass sich alle Mädchen wünschten, wie Supermodels auszusehen. Er wusste nicht, was das war, ein Supermodel, und sie hatte ihm Bilder in einer Zeitschrift namens Vogue gezeigt. Skeeter waren die Frauen darin wie Riesinnen vorgekommen, furchterregende Muskelpakete, die aussahen, als könnten sie einen Mann zu Brei schlagen. Und er war froh gewesen, dass es in Sinclair keine Supermodels gab.
    Er sah auf die Uhr vom Gerichtsgebäude. 1.30 Uhr. Bald würde Großvater wieder auf dem Dachboden erscheinen. Und diesmal hatte er bessere Sicht. Chief Garrett hatte ihn immer wieder gebeten, ihm Großvaters Gesicht zu beschreiben, aber das konnte er nicht. Er hatte allerdings viel darüber nachgedacht. Er konnte Großvaters Gesicht immer noch nicht beschreiben, aber er hatte sich an etwas Außergewöhnliches erinnert: Großvaters Haar. Auf alten Fotos hatte Skeeter einen Mann mit sehr kurzem blonden Haar gesehen, das in der Mitte gescheitelt war und eng am Kopf anlag. Aber auf dem Dachboden hatte Großvaters Haar länger und voller ausgesehen. Und eindeutig dunkler. Natürlich war er jetzt schon lange Zeit ein Geist — sein Haar war vielleicht gewachsen. Aber blieben Geister nicht so, wie sie in ihrer Sterbestunde ausgesehen hatten?
    Die Fotos hatten Skeeter auch gezeigt, dass Großvater von eher zierlichem Wuchs gewesen war. Daddy hatte

Weitere Kostenlose Bücher