Glaub nicht es sei vorbei
unverschämten Grinsen über ihre Ängstlichkeit lustig gemacht und ihr gesagt, dass ihr wahrscheinlich ein paar Jugendliche einen Schreck hatten einjagen wollen.
Am Sonntagmorgen hatte Matilda sich nach Kräften bemüht, den Zwischenfall aus ihren Gedanken zu verbannen. Ihr Vater hatte ihr immer schon gesagt, sie würde aus jeder Mücke einen Elefanten machen. Jemand war auf Kleins Dachboden gewesen, wahrscheinlich Herbert Klein persönlich, und jemand hatte versucht, die Tür der Drogerie zu öffnen, wahrscheinlich ein Teenager oder sogar Skeeter, obwohl er abgeschlossene Türen immer respektiert hatte. Das waren die einzigen konkreten Dinge, die geschehen waren. Ihre Einbildung hatte die bösartigen Blicke erfunden. Sie verbrachte zu viel Zeit allein und wurde allmählich ein wenig seltsam. Sie würde noch als verschrobene alte Schachtel enden, die an jeder Ecke Gefahren lauern sah.
Dann war Skeeter zu ihr gekommen und hatte etwas davon geplappert, dass Samstagnacht jemand auf dem Dachboden gewesen sei, und sie hatte instinktiv gewusst, dass es nicht Herbert Klein gewesen war. »Du musst zur Polizei gehen« , hatte Matilda zu Skeeter gesagt. Sie war zutiefst bestürzt gewesen, hatte jedoch versucht, es sich nicht anmerken zu lassen. Skeeter war vor Aufregung ganz aus dem Häuschen gewesen. »Klar geh ich zur Polizei«, hatte er ihr mit glänzenden Augen versichert. »Ich werde mit Chief Garrett reden, damit er sich um Großvater kümmert. Ich komm wieder, Tildy, und erzähl dir, was er unternehmen will.«
Als Skeeter gegangen war, hatte Matilda sich erneut einen Hasenfuß gescholten. Kein Mensch würde auf Skeeter hören. Sie hätte selber mit der Polizei sprechen sollen, auch wenn dieser junge Deputy sie so leichtfertig abgetan hatte. Er hatte sie behandelt, als sei bei ihr eine Schraube locker, und mit seiner Überheblichkeit ihren Stolz verletzt.
Außerdem durfte ihr Vater auf keinen Fall erfahren, dass sie die Polizei verständigt hatte. Es würde ihn nur unnötig aufregen. Und das wollte sie nicht riskieren. Und dennoch ...
Und dann war sie am Montagmorgen voller neuer Ideen und der nötigen Energie, sie umzusetzen, zur Drogerie gefahren und wäre vor der Tür beinahe über Skeeters Leiche gefallen. Übelkeit stieg in ihr auf, als sie sich an den Eispickel erinnerte, der aus seinem Auge ragte. Der arme, unglückliche Skeeter. Sie würde ihn vermissen, obwohl sie das nie zugeben würde. Aber noch konnte sie nicht um ihn trauern, noch überwog das Grauen, die bange Frage, was seine Ermordung wohl zu bedeuten hatte. Sie wusste, dass Chief Garrett Skeeters Hinweis tatsächlich nachgegangen war und dabei Todd Ryans blutbeflecktes Stofftier auf dem Dachboden gefunden hatte. Man hatte den Kleinen dort oben gefangen gehalten. Was Skeeter für das Gespenst seines Großvaters gehalten hatte, das dort oben »umging«, war in Wirklichkeit der Entführer gewesen. Und wenn Skeeter Todd Ryans Kidnapper gesehen hatte, dann hatte sie ihn auch gesehen. Natürlich nicht genau. Nicht gut genug, um ihn identifizieren zu können, aber das wusste der Kidnapper ja nicht. Vielleicht war sie ja das nächste Opfer seines Eispickels.
Matilda erschauerte, fing sich aber gleich wieder und zählte Mr. Morelands Cholesterinpillen weiter zu je 5 Stück ab. Matilda fand den Preis des Medikaments unverschämt hoch, aber wenigstens waren die Morelands gut versichert, weil Edgar Moreland lange Jahre bei Grace Healthcare gearbeitet hatte. Er war bereits früher am Morgen im Laden gewesen und hatte ihr erzählt, dass Herbert Klein die Tür zum Dachboden einmal hatte offen stehen lassen und dass Skeeter Dobbs die Stiege hinaufgeschlichen war. »Hat weder was gestohlen noch beschädigt, der arme Teufel. Also trugen Helen und ich ihm Kekse und Saft hinauf. Am nächsten Morgen war kein Krümelchen und kein Tropfen davon mehr übrig. Ich glaube, er hat sich's einfach gut gehen lassen.«
Mr. Moreland sagte, dass seine Frau, nun da sie wüsste, dass Todd auf dem Dachboden direkt über ihrer Wohnung gefangen gehalten worden war, Todesängste ausstand. Sagte, sie mache sich große Vorwürfe, weil sie nicht gleich die Polizei verständigt hatte. Matilda konnte es ihr nachfühlen. Mr. Moreland sagte, er wolle es nicht an die große Glocke hängen, aber er werde für Skeeters Beerdigung aufkommen. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass man Skeeter in irgendeinem Armengrab verscharren würde. Das Begräbnis würde nicht ausgesprochen kostspielig
Weitere Kostenlose Bücher