Glaub nicht es sei vorbei
Gleich gegenüber stand das Möbelhaus Klein. Die Schaufenster waren erleuchtet, sodass ein gewaltiges Bett aus Kirschbaumholz mit passender Spiegelkommode zu sehen war und eine Couch in wunderschönen Creme-, Blau-und Rosaschattierungen. Das erste und zweite Stockwerk waren dunkel gewesen. Einige Fenster in den Stockwerken drei und vier, in denen sich Wohnungen befanden, waren noch hell erleuchtet. Das fünfte Stockwerk war dunkel geblieben. Und darüber ...
Matilda hatte die Stirn gerunzelt. Sie konnte sich nicht erinnern, auf dem Dachboden des Möbelhauses jemals Licht gesehen zu haben. Aber im äußersten Fenster war tatsächlich ein schwacher Lichtschein zu sehen. Sie hatte den Eindruck gehabt, dass er nicht von der Deckenbeleuchtung kam, sondern von einer starken Taschenlampe, die man irgendwo abgelegt hatte.
Matilda hatte die Ladentür aufgesperrt und war auf das Pflaster hinausgetreten, von wo aus sie eine bessere Sicht hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Herbert Klein zu nachtschlafender Zeit auf seinem Dachboden herumwühlte. Dennoch scheute sie sich davor, bei ihm anzurufen, um einen Einbrecher zu melden. Womöglich hatte Klein auf seinem Dachboden etwas zu erledigen und würde ihr höflich raten, sich gefälligst nicht in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen.
Und dann hatte sie für wenige Sekunden ein Gesicht gesehen. Allerdings war die Beleuchtung so spärlich gewesen, dass sie im Nachhinein nicht sagen konnte, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau gehandelt hatte. Nur fünf Sekunden später war das Licht erloschen. Doch sie hatte plötzlich Blicke gespürt, die sie registriert hatten. Durchdringende, bösartige Blicke.
Matilda war in ihren Laden gelaufen, hatte die Tür zugeknallt und fest verschlossen. Dann war sie ins Hinterzimmer geflüchtet und hatte fast zehn Minuten zitternd. vor Angst dort ausgeharrt. Sie hatte versucht, Herbert Klein zu erreichen, doch der war nicht zu Hause gewesen. Vielleicht war er doch auf seinem Dachboden, hatte sie sich gedacht und es nicht gewagt, die Polizei zu verständigen.
Schließlich hatte sie sich zurück in den Laden geschlichen und die Lichter ausgeschaltet. Dann hatte sie weitere fünf Minuten gewartet und sich fast kriechend zum Fenster bewegt, um auf die Straße hinauszuspähen. Der Dachboden des Möbelhauses war dunkel gewesen. Sie hatte tief Luft geholt und sich einen Angsthasen gescholten.
Dann hatte jemand leise an der Eingangstür gerüttelt, die sie zum Glück abgesperrt hatte.
Matilda war vor Schreck wie gelähmt, ihr Atem schnell und keuchend gewesen. Erneutes Rütteln. Behutsam, aber energisch. Einmal, zweimal. Zum Glück war die altmodische Tür, die sie immer so gehasst hatte, nicht aus Glas wie die schicken Türen der neuen Drogerien in der Einkaufspassage und hatte nur auf Augenhöhe ein kleines Glasfenster. Selbst wenn es jemand einschlagen sollte, konnte er den Türknauf nicht erreichen. Aber sie hatte diesen hässlichen Blick wieder gespürt, der nach ihr forschte wie die Katze nach der Maus. Sie hatte sich an ein Regal gedrückt, während ihr der Angstschweiß den Rücken hinuntergelaufen war. Starr vor Entsetzen hatte sie sich gefragt, ob sie den Hintereingang abgeschlossen hatte. Matilda war zu keiner Bewegung mehr fähig gewesen, sie fühlte sich außerstande, den Laden zu durchqueren, ins Hinterzimmer zu hasten und nachzusehen. Es war ohnehin zu spät, hatte sie sich gesagt. Inzwischen war genügend Zeit vergangen, um vom Vordereingang zur Hintertür zu gelangen. Sie blieb am besten in der Nähe des Eingangs stehen. Auf diese Weise würde sie hören, wenn jemand durch den Hintereingang kam, konnte die Vordertür aufsperren und schreiend auf die Straße rennen.
Sie hatte diesen Plan im Geiste dreimal durchgespielt, obwohl sie sich vor Entsetzen keinen Zentimeter hatte von der Stelle rühren, geschweige denn eine solch entschlossene Tat vollbringen können. Sie war nicht imstande gewesen, die zehn Meter bis zur Ladentheke zu kriechen, auf der sich das Telefon befand, das mit dem Polizeirevier verbunden war. Sie hatte sich dafür gehasst, aber das hatte auch nichts geändert. Sie hatte wie gelähmt fast eine halbe Stunde lang ausgeharrt, bis sie erkannt hatte, dass der Eindringling es aufgegeben hatte. Sie hatte ihren schmerzhaft verkrampften Körper entspannt und endlich die Polizei angerufen, und fünfzehn Minuten später hatte sie ein unglaublich junger Deputy zu ihrem Wagen begleitet, sich mit einem
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