Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
ja wohl kaum zumuten, oder?
Nicholas schaute sie die ganze Zeit aufmerksam an. »Das tut mir leid«, sagte er, als sie geendet hatte. Und damit sie verstand, was genau ihm leidtat, fügte er hinzu: »Ich weiß, was Freddie dir bedeutet, Manette, auch wenn du es selbst nicht immer weißt.«
Sie wandte sich ab, denn sie kämpfte mit den Tränen. »Wie auch immer … Du siehst also …«
»Ich muss wieder an die Arbeit.« Er nahm sie in die Arme und küsste sie auf die Schläfe. »Ich muss erst mit Allie darüber reden, okay? Irgendwas liegt ihr auf dem Magen, ich weiß nicht, was es ist. Sie hat’s mir noch nicht gesagt, aber sie rückt schon noch damit heraus. Wir haben keine Geheimnisse voreinander. Also gib mir ein bisschen Zeit, einverstanden? Jedenfalls sage ich noch nicht Nein, was Tim und Gracie angeht.«
ARNSIDE – CUMBRIA
Er hatte keine Ahnung vom Angeln, aber das spielte keine Rolle. Er brauchte keinen Fisch zu fangen, er musste es nur so aussehen lassen, als würde er angeln. Also hatte Zed sich von seiner Hauswirtin eine Angel geliehen, was die alte Frau zum Anlass genommen hatte, ihm einen Vortrag über ihren verstorbenen Mann zu halten und darüber, wie viele Stunden er mit seiner Angel auf irgendwelchen Seen und Flüssen vergeudet hatte. Dann hatte sie ihm noch einen Angelkasten gegeben sowie eine Regenjacke und ein Paar Gummistiefel, alles so winzig, dass es ihm nichts nützte, und einen Angelhocker. Zum Schluss hatte sie ihm viel Glück gewünscht. Ihr Mann, sagte sie, habe so gut wie nie Glück gehabt. In fünfundzwanzig Jahren habe er gerade einmal fünfzehn Fische gefangen. Sie könne es beweisen, denn sie habe genau aufgeschrieben, wann ihr Mann aus dem Haus gegangen und ohne einen Fisch zurückgekehrt war. Vielleicht habe er ja eine Geliebte gehabt, meinte sie, denn wenn man sich die Sache genau überlege …
Zed hatte sich hastig bei der Frau bedankt und war nach Arnside gefahren, wo Gott sei Dank gerade Flut herrschte. Er hatte sich einen Platz an der Ufermauer gesucht, direkt unterhalb von Nicholas Faircloughs Haus, und seine Angel ausgeworfen. Dabei hatte er noch nicht einmal einen Köder am Haken befestigt, denn das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass tatsächlich ein Fisch anbiss und er irgendetwas damit anstellen musste. Zum Beispiel anfassen.
Jetzt wo Scotland Yard wusste, dass er in der Gegend war, musste er Vorsicht walten lassen. Wenn die ihn erst einmal entdeckt hatten – wer auch immer sie sein mochten –, würde das seine Arbeit extrem erschweren. Er musste unbedingt herausfinden, wer sie waren – er ging jedenfalls davon aus, dass es mindestens zwei Polizisten waren, denn im Fernsehen arbeiteten sie ja auch immer in Teams.
Zed rechnete damit, dass sie irgendwann bei Nicholas auftauchen würden, und dann würde er zur Stelle sein.
Der Angelhocker war eine großartige Idee gewesen. So konnte er an seinem Platz an der Ufermauer abwechselnd stehen und sich ausruhen. Lange Zeit tat sich nichts Verdächtiges bei Nicholas Faircloughs Haus, doch dann trat Alatea Fairclough plötzlich aus der Tür.
Sie kam direkt auf ihn zu, und er konnte nichts anderes denken als verdammt, verdammt, verdammt. Er würde auffliegen, ehe er irgendetwas Brauchbares in Erfahrung gebracht hatte, was wirklich kein Wunder war bei dem Pech, das er in letzter Zeit hatte. Die Frau blieb jedoch mitten auf dem Rasen stehen und schaute auf die Bucht hinaus. Wahrscheinlich dachte sie an all die Menschen, die in dieser Bucht den Tod gefunden hatten, wie diese armen Chinesen – mehr als fünfzig, die im Dunkeln von der einsetzenden Flut überrascht worden waren und auf Rettung gehofft hatten, die nicht kam. Oder wie der Mann, der mit seinem Sohn bei einsetzender Flut in eine Nebelbank geraten war und vollkommen die Orientierung verloren hatte, während überall um ihn herum Nebelhörner ertönten. In Anbetracht all dessen war die Morecambe Bay wahrscheinlich ein schrecklich deprimierender Ort, sagte sich Zed, und Alatea Fairclough wirkte so deprimiert wie nur etwas.
Verdammt, dachte er, sie hatte doch nicht etwa vor, in dieses tückische Wasser zu gehen? Denn dann würde er sie retten müssen, und das würde für sie beide den sicheren Tod bedeuten.
Er war zu weit weg, um es zu hören, aber anscheinend klingelte Alateas Handy, denn sie nahm es aus ihrer Jackentasche und klappte es auf. Sie redete mit jemandem. Begann dabei, auf und ab zu gehen. Schließlich schaute sie auf ihre Armbanduhr, die er
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