Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Die Aktion hatte ihm reichlich misstrauische Blicke von Bankkunden und ungehaltene Worte von Leuten beschert, die den Geldautomaten benutzen wollten. Eine alte Frau hatte ihn ziemlich unsanft weggeschubst und gezetert: »Weg da, du Mistkerl, sonst ruf ich die Polizei … Deine Sorte kenn ich!« Die Lage war also brenzlig geworden, und er hatte nur noch hoffen können, dass die Frau von Scotland Yard sich bald blicken ließ, wenn er nicht wegen verdächtigen Herumlungerns verhaftet werden wollte.
Am Morgen hatte er wie immer mit Yaffa telefoniert, und das Gespräch ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte seine Kussgeräusche nicht erwidert, weil seine Mutter nicht in der Nähe gewesen war und die Notwendigkeit, ihr das verliebte Paar vorzuspielen, sich erübrigt hatte. Außerdem gab es anscheinend neuerdings Probleme mit Micah in Tel Aviv, der es leid war, Yaffas Bruder Ari zu spielen. In einem Gespräch mit Micah hatte Yaffa Zed als attraktiv bezeichnet. Micah habe nicht besonders erfreut reagiert, trotz all ihrer Beteuerungen, dass es nichts zu bedeuten habe. Und während Zed noch darüber nachdachte, dass sie im Zusammenhang mit ihm das Wort attraktiv benutzt hatte, hatte sie ihm erklärt, sie müsse sich wahrscheinlich ein anderes Zimmer suchen, denn Micah sei total aus dem Häuschen . Sie fürchte, hatte sie Zed erklärt, dass Micah vor lauter Sorge, dass sie ihn nicht mehr liebte, sein Studium vernachlässigen könnte. Und das könne sich ein Medizinstudent nun wirklich nicht leisten. Aber er wisse ja sicherlich, was Eifersucht mit Männern mache …
In Wirklichkeit hatte Zed keine Ahnung, was Eifersucht mit Männern machte, denn bisher hatte er sich noch nie auf eine Beziehung mit einer Frau eingelassen.
Yaffa hatte ihm erklärt, sie glaube, sie könne ihren Verlobten noch eine Zeitlang beschwichtigen, allerdings nicht mehr lange. Dann würde sie entweder umziehen oder nach Tel Aviv zurückkehren müssen.
Zed hatte nicht gewusst, was er dazu sagen sollte. Er konnte sie kaum anflehen, noch zu bleiben. Ja, er wusste nicht einmal, wie er überhaupt auf die Idee kam, sie anzuflehen, damit sie blieb. Und doch hatte ihm am Ende des Gesprächs genau das auf der Zunge gelegen und nicht etwa ein gutgelauntes Gute Reise! Und das hatte ihn doch sehr gewundert.
Aber sie hatte sowieso aufgelegt, ehe er dazu gekommen war, das eine oder das andere auszusprechen. Am liebsten hätte er noch einmal angerufen, um ihr zu sagen, dass sie ihm schrecklich fehlen würde, damit sie seine Sprachlosigkeit nicht dahingehend interpretierte, dass es ihm egal wäre, wenn sie nach Israel zurückkehrte. Die Telefongespräche mit ihr gefielen ihm so sehr, dass er ihnen regelrecht entgegenfieberte, ja, er hatte das Gefühl, dass sie genau die Frau war, die … Nein, so weit durfte er nicht denken. Was für eine Schande, dachte er. Er würde sich damit abfinden müssen, dass sie wie Romeo und Julia waren, und fertig.
Zed war so vertieft in seine Gedanken an Yaffa und Micah und die Ironie des Schicksals, das ihn über die perfekte Frau stolpern ließ, die nur dummerweise mit einem anderen verlobt war, dass er, als Nick Fairclough das Hotel Crow & Eagle betrat, nicht sofort begriff, was für eine wichtige Beobachtung er da gerade machte. Er dachte lediglich, ach, da kommt ja Nick Fairclough, schob sich die Mütze ein bisschen tiefer ins Gesicht und zog die Schultern ein, um weniger aufzufallen. Erst als Nick Fairclough kurz darauf wieder aus dem Hotel stürmte, noch dazu mit versteinerter Miene, zählte Zed zwei und zwei zusammen, und das ergab: Fairclough plus Scotland-Yard-Detective gleich wichtiges Ereignis.
Dann kam die Polizistin aus dem Hotel. Sie telefonierte auf ihrem Handy. Eine Polizistin, die auf ihrem Handy telefonierte, bedeutete, dass neue Entwicklungen stattfanden. Fairclough war gegangen, und die Polizistin folgte ihm. Zed musste den beiden folgen.
Sein Auto stand ganz in der Nähe, und er rannte los, als die rothaarige Frau um das Hotel herumging, zweifellos zu ihrem Auto. Er ließ den Motor an und wartete darauf, dass sie auftauchte. Sie würde nirgendwo hinfahren, ohne dass er ihr auf den Fersen blieb.
Er zählte die Sekunden. Aus den Sekunden wurden Minuten. Was war passiert? Hatte sie Probleme mit dem Auto? Einen Platten? Wo zum Teufel steckte sie …?
Schließlich fuhr ein Wagen vom hinter dem Hotel gelegenen Parkplatz, aber es war kein Mietwagen, und die Frau saß nicht am Steuer. Es war ein kupferfarbener,
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