Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Lügner, ein Betrüger, ein Familienzerstörer und alles andere dazu.
»Wann ist denn die Hochzeit, Kaveh?«, fragte er. »Und was willst du deiner Zukünftigen erzählen? Hast du vor, sie darüber aufzuklären, was du hier so alles getrieben hast? Oder ist das der Grund, warum du Gracie und mich loswerden willst? Damit sie nichts von alldem erfährt? Ich nehm an, dass wir beide nicht zur Hochzeit eingeladen werden, das wär wohl ein bisschen zu viel verlangt. Dabei würde Gracie bestimmt gern Brautjungfer sein.«
Kaveh sagte nichts darauf. Tim rechnete es ihm hoch an, dass er erst nachdachte, anstatt ihn sofort anzuschnauzen, das gehe ihn alles nichts an. Wahrscheinlich überlegte er krampfhaft, wie Tim es geschafft hatte, die Wahrheit rauszufinden.
»Hast du meiner Mutter eigentlich schon Bescheid gesagt?«, fragte Tim. »Denn wenn nicht, kann ich dir gleich flüstern, dass sie bestimmt nicht begeistert sein wird.«
Tim wunderte sich über das, was er empfand, während er das alles sagte. Er wusste nicht, was das war. Es war ein Gefühl, das ihn total vereinnahmte, und er wollte, dass es wegging. Er fand es furchtbar, wenn so etwas passierte. Er fand es zum Kotzen, wenn er auf die Worte und Taten anderer Leute reagierte. Er wäre gern wie eine Glasscheibe, an der alles abprallte wie Regen, und es machte ihn fast verrückt, dass ihm das bisher noch nicht gelungen war. Es war, als wäre er auf ewig verflucht, dazu verdammt, in einer Hölle zu leben, in der er der Gnade der anderen ausgeliefert war und nicht umgekehrt.
»Gracie und du, ihr gehört zu eurer Mutter«, sagte Kaveh schließlich. »Ich habe euch gern bei mir. Und ich würde euch bei mir behalten, aber …«
»Aber das würde deiner Frau wohl nicht gefallen«, schnaubte Tim. »Außerdem würde es ein bisschen voll im Haus, da deine Eltern ja auch einziehen sollen. Mann, das ist echt perfekt gelaufen, was? Fast als hättest du es genau so geplant.«
Kaveh sah ihn durchdringend an. »Wovon genau redest du?«, fragte er.
Etwas Unerwartetes schwang in den Worten mit, etwas wie Wut, aber es war mehr als Wut. In dem Moment dachte Tim, dass Wut gefährlich sein konnte und dass es gefährlich werden konnte, wenn Leute wie Kaveh in Wut gerieten und sich vergaßen. Aber das war ihm egal. Sollte der Typ ruhig ausrasten, na und? Etwas Schlimmeres, als er bereits angerichtet hatte, konnte er sowieso nicht tun.
»Ich rede davon«, sagte Tim, »dass du heiraten willst. Wahrscheinlich sagst du dir, dass die Arschfickerei mit meinem Dad dir eingebracht hat, was du wolltest, und dass du dir jetzt eine Frau nehmen kannst und alles. Natürlich hast du ein Problem, solange Gracie und ich da sind, weil, ich könnte dich ja, wenn deine Frau und deine Eltern zufällig neben dir stehen, beiläufig fragen: ›Seit wann stehst du denn auf Frauen, Kaveh?‹«
»Du weißt nicht, wovon du redest«, sagte Kaveh. Er drehte sich nach hinten, um den Verkehr zu beobachten, und schaltete den Blinker ein.
»Ich rede davon, dass du dich von meinem Dad hast ficken lassen«, sagte Tim. »Und zwar jede Nacht. Glaubst du im Ernst, dass du eine Frau findest, die dich noch heiratet, wenn sie davon erfährt, Kaveh?«
»›Jede Nacht‹?«, wiederholte Kaveh stirnrunzelnd. »›Von deinem Dad ficken lassen‹? Wovon zum Teufel redest du, Tim?« Er machte Anstalten, sich in den Verkehr einzufädeln.
Blitzschnell streckte Tim die Hand aus und drehte den Zündschlüssel um. »Dass du mit meinem Dad gefickt hast, davon rede ich.«
Kaveh sah ihn an. »Ficken … Was ist eigentlich los mit dir? Was geht in deinem Kopf vor? Wie kommst du auf die Idee, dass dein Vater und ich …?« Kaveh setzte sich so hin, als richtete er sich auf ein längeres Gespräch mit Tim ein. »Dein Vater war mir ein guter, lieber Freund, Tim. Ich habe große Achtung vor ihm gehabt, und wir haben uns gemocht, wie das bei guten Freunden üblich ist. Aber dass da mehr gewesen sein soll … Dass er und ich … Glaubst du etwa, dein Vater und ich wären ein homosexuelles Paar gewesen? Wie kannst du nur so etwas annehmen? Er hat mir ein Zimmer in seinem Haus vermietet, und ich war sein Untermieter, mehr nicht.«
Tim starrte Kaveh entgeistert an. Der Mann wirkte vollkommen ernst. Er log so dreist und so geschickt, dass Tim einen Augenblick lang tatsächlich versucht war zu glauben, er und alle anderen hätten sich in Bezug auf Kaveh und seinen Vater geirrt, vor allem in Bezug auf das, was die beiden miteinander getrieben
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